Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die spaete Ernte des Henry Cage

Die spaete Ernte des Henry Cage

Titel: Die spaete Ernte des Henry Cage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Abbott
Vom Netzwerk:
Dollar.

36.
    »Und die sind einfach aufgetaucht und haben geklingelt?«
    »Hab ich doch gesagt. Ich dachte, du hättest den Schlüssel vergessen. Konnte ich ja nicht ahnen, oder?«
    »Zwei?«
    »Ein Beamter und eine Streifenpolizistin – sie haben mir ihre Dienstausweise gezeigt und nach dir gefragt.«
    »Und warum hast du sie reingelassen?«
    »Sie meinten, sie würden Nachforschungen wegen eines Zwischenfalls auf dem Hof der Gerüstbaufirma anstellen. Ich dachte, dir wäre was zugestoßen. Ich hatte Angst.«
    Colin ließ nicht locker. Sie waren das Ganze schon hundertmal durchgegangen.
    »Und sie haben gefragt, wo ich letzte Nacht gewesen bin?«
    Eileen seufzte. »Ich hab ihnen gesagt, du seist hier bei mir gewesen – ich bin ja nicht blöd. Den ganzen Abend und die ganze Nacht, das hab ich gesagt.«
    »Und sie haben dir das abgenommen?«
    »Woher soll ich das denn wissen? Sag mir lieber, worum es hier geht – du musst doch eine Ahnung haben.«
    Colin hatte ihr nicht gesagt, dass aus der Dunkelkammer ein Foto fehlte. Einer der beiden Bullen musste wohl mal aufs Klo gegangen sein und herumgeschnüffelt haben. Na, Gärten zu fotografieren war ja noch kein Verbrechen. Er hätte nur den Köter nicht kaltmachen sollen, Morris war nicht blöd. Der hatte sie bestimmt auf seine Spur gesetzt. Na und? Beweisen konnten sie gar nichts. Größere Sorgen bereitete ihm das fehlende Foto.
    Am folgenden Tag beschloss er, sich noch mal das Haus in Chelsea anzuschauen. Er hatte sich gefragt, was dieser Cage wohl mit den Polaroids gemacht hatte. Wenn er sie der Polizei gegeben hatte, bestand die Gefahr, dass einer der Bullen vielleicht Eileen erkannt hatte, aber das Risiko war gering. Bei den Bildern hatte er sich nicht sonderlich auf das Gesicht konzentriert. Und der alte Perversling hatte sie bestimmt nicht rausgerückt. Wahrscheinlich sah er sie an und holte sich dabei einen runter.
    Colin überquerte ohne Eile den Sloane Square und ging zur U-Bahn South Kensington, wo er sich den
Daily Telegraph
kaufte. Früher hatte er den
Independent
gelesen. Zu Anfang hatten sie der Fotografie viel Platz eingeräumt – große Bilder, über zwei Seiten manchmal –, aber wie alles andere hatte auch das nicht lange angehalten. Als das Blatt das bildbetonte Layout änderte, war Colin zum
Telegraph
übergeschwenkt. In der Firma hatten sie ihn als Tory-Wichser beschimpft, aber in Wahrheit hatte das mit Politik nichts zu tun. Colin mochte einfach eine große Zeitung,und im
Guardian
und in der
Times
stand ihm zu viel ausländisches Zeug.
    Mit seiner Zeitung ging er ins Dino’s neben der U-Bahn -Station und bestellte sich Kaffee und zwei Portionen gebutterten Toast, schön braun. Er las den Sportteil, dann den Hauptteil von hinten, bis zur Seite drei. Im
Telegraph
gab es keine nackten Titten, aber meistens stand auf Seite drei eine scharfe Story, ziemlich detailliert für so eine hochnäsige Zeitung. Beim Durchblättern blieb er bei den Nachrufen und dem Foto einer hübschen Frau hängen. Nicht die Tote des Tages, sondern ein kleinerer, gedrängter Kasten unten auf der Seite. Die Frau lachte, ihr Haar war vom Wind zerzaust. Es sah so aus, als sei sie irgendwoauf einem Berg. Ja, da stand es: »Nessa Cage bei den Dreharbeiten zu
Frauen über der Baumgrenze
, ihrem preisgekrönten Film über die ersten Bergsteigerinnen.« Colin las die Überschrift: VANESSA CAGE, DOKUMENTARFILMERIN. Er fragte sich, ob es eine Verbindung gab; so verbreitet war der Name ja nicht. Colin hielt inne und konzentrierte sich auf das letzte Dreieck Toast, fast schwarz, so, wie er es mochte, dick mit Butter bestrichen.

    Mrs Abraham sah den Mann von Henrys Schlafzimmer aus. Sie hatte das Fenster geöffnet, um zu lüften, und wollte es gerade wieder schließen. Der Mann hatte eine Zeitung in der Hand. Ihr fiel auf, dass er sie wie ein Gentleman trug, nicht gerollt, sondern gefaltet. Er hatte zum Haus hinübergeschaut, war aber nicht stehen geblieben. Mrs Abraham eilte nach unten und rief Cummings an.
    »Er hat nichts weiter gemacht, ist nur vorbeigegangen und hat geschaut – aber ich dachte, das sollten Sie wissen.«
    »Sehr richtig, Mrs Abraham, vielen Dank für den Anruf. Sie vergessen doch bitte nicht, Mr Cage meine Nachricht weiterzugeben, in Ordnung?«
    Diese geringschätzige Reaktion verwirrte sie. Sie knöpfte sich den Regenmantel zu. Es gab viele Dinge auf der Welt, die sie nicht verstand, und meist war sie froh darüber, dass das so war.
    Als Mrs Abraham die Haustür

Weitere Kostenlose Bücher