Die Sphaeren
Gesicht des Lyge auf, der sich ein wenig erhob, einmal mit den Flügeln schlug und sich dann wieder beruhigte. Die von den Schwingen verdrängte Luft strich über sie hinweg. »Was sollen wir mit …«
Die Granate erwachte wieder zu zischendem Leben. Auf allen
vieren krabbelten sie fort, und Holse versuchte, den Lyge mit sich zu ziehen. Sie krochen und rollten über den harten, glatten Boden, und Ferbin dachte: Wenn ich hier mein Ende finde, so sterbe ich wenigstens nicht an irgendeinem fernen, unheiligen Ort zwischen den Sternen. Die Granate explodierte mit einem schrecklichen Krachen, das Ferbin an den Ohren zu packen und auf ihn einzuschlagen schien. Er hörte eine Art Läuten und blieb an Ort und Stelle liegen.
Als er wieder zu Sinnen kam und sich umsah, lag Holse etwa zwei Schritte entfernt und sah ihn an, und der Reiter lag einige Schritte hinter seinem Diener – das war alles. Vom Lyge fehlte jede Spur. Es ließ sich nicht feststellen, ob die Explosion der Granate ihn getötet oder verwundet hatte, oder ob er nur erschrocken fortgeflogen war.
Holses Mund bewegte sich und schien etwas zu sagen, aber Ferbin hörte nichts.
In der Mitte des Turmrunds wuchs ein dicker, gut fünfzehn Schritte durchmessener Zylinder in die Höhe und verschluckte den viel dünneren, mit dem Ferbin zuvor gesprochen hatte. Fünf Meter weit ragte er auf und verharrte dann. Eine Tür öffnete sich, groß genug, um drei Berittene Seite an Seite passieren zu lassen, und graublaues Licht fiel nach draußen.
Große Schemen erschienen in der Nähe des Turms und begannen damit, ihn zu umkreisen.
Ferbin und Holse sprangen auf und liefen zur Tür.
In Ferbins Ohren klingelte es noch immer, und so hörte er den Schuss nicht, der ihn traf.
9
Ein-Finger-Mann
M ertis tyl Loesp saß in seinem privaten Zimmer hoch im königlichen Palast von Pourl. Seit kurzer Zeit erschien ihm dieser Raum zu bescheiden; allerdings hielt er es für besser, ein Kurzjahr verstreichen zu lassen, bevor er in eine der Königswohnungen einzog. Er hörte sich die Berichte von zwei Rittern an, die sein besonderes Vertrauen genossen.
»Ihr Junge kannte das Versteck des alten Knaben, eine geheime Kammer hinter einem Schrank. Wir zerrten ihn daraus hervor und überredeten ihn dazu, uns die Wahrheit in Bezug auf die früheren Ereignisse zu sagen.« Vollird lächelte – er gehörte zu den Rittern, die an der Tür der alten Fabrik Wache gehalten hatten, in der der König gestorben war.
»Der Herr war ein Ein-Finger-Mann«, fügte der andere Ritter namens Baerth hinzu. Auch er war zugegen gewesen, als der König sein Leben ausgehaucht hatte. Er hob beide Hände
und bewegte sie so, als bräche er einen Zweig. Ein Zucken in den Mundwinkeln deutete vielleicht ein Lächeln an.
»Ja, danke für den deutlichen Hinweis«, wandte sich tyl Loesp an Baerth, sah dann Vollird an und runzelte die Stirn. »Und Sie haben es für nötig gehalten, den Obersten Gelehrten zu töten? Gegen meinen Befehl?«
»Ja«, bestätigte Baerth, der sich nicht einschüchtern ließ. »Ich hielt das Risiko für zu groß, ihn zu einer Kaserne zu bringen und dort einzukerkern.«
»Bitte erklären Sie«, sagte tyl Loesp glatt und lehnte sich zurück.
Vollird war ein großer, schlanker und sehr ernst wirkender Mann, mit einem Blick, der derzeit an Dreistigkeit grenzte. Für gewöhnlich beobachtete er die Welt mit leicht gesenktem Kopf, was bei ihm keineswegs ein Zeichen von Scheu oder unsicherer Zurückhaltung war. Es bedeutete vielmehr Wachsamkeit und Misstrauen, und dass er voller Spott, Schläue und Berechnung steckte. Unter dem Schutz der Brauen schienen die Augen immerzu nach Schwächen und Verletzbarkeiten Ausschau zu halten, und nach dem besten Zeitpunkt für den Angriff.
Der blonde Baerth bildete einen auffallenden Kontrast zu ihm, war klein und sehr muskulös, wirkte manchmal fast kindlich. Beide konnten ziemlich wild werden, wenn sie in Rage gerieten.
Und beide führten tyl Loesps Anweisungen aus, und nur darauf kam es an. Allerdings hatten sie sich bei dieser Gelegenheit nicht an seine Befehle gehalten. Im Lauf der letzten Jahre hatten sie für ihn Leute verschwinden lassen oder eingeschüchtert, und hinzu kamen einige andere delikate Aufträge,
bei denen sie immer wieder ihre Zuverlässigkeit gezeigt hatten. Jetzt allerdings dachte tyl Loesp voller Sorge daran, dass ihnen Mord vielleicht besser gefiel als Gehorsam. Ein großer Teil seiner Sorge betraf die Frage, von wem er diese beiden
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