Die Sphaeren
wenn auch im Privaten.
Aber was hatte Hyrlis zurückgelassen? Auf welchen Kurs hatte er sie gebracht? Waren sie nicht irgendwie seine Werkzeuge? Handelten sie nicht auf sein Geheiß, selbst jetzt? Waren sie Marionetten und Spielzeuge für ihn? Würde er ihnen nur gestatten, einen gewissen Punkt zu erreichen – um ihnen dann alles wegzunehmen, so wie tyl Loesp es beim König getan hatte?
Er durfte sich nicht zu sehr von solchen Gedanken vereinnahmen lassen. Ein wenig Vorsicht und eine ungefähre Vorstellung
davon, was es zu tun galt, wenn es zum Schlimmsten kam – das war in Ordnung. Aber sich in Zweifeln und Vorahnungen einer Katastrophe zu suhlen – damit beschwor er genau die Dinge herauf, die er am meisten fürchtete. Dieser Schwäche durfte er nicht nachgeben. Sie marschierten auf der Straße des Sieges. Es kam darauf an, entschlossen zuzuschlagen; dann konnten sie sich Territorien erschließen, wo vielleicht selbst die Oct feststellten, nicht mehr die volle Kontrolle zu haben.
Tyl Loesp hob die Nase und schnupperte. Die langsam stärker werdende Brise trug Brandgeruch heran, etwas, das unangenehm süß roch, nach Rauch und Plünderung. Er hatte diesen Geruch schon einmal wahrgenommen, vor der Schlacht beim Xiliskischen Turm. Es war der Geruch des neuen Krieges, von destilliertem, brennendem Roasoaril-Öl. Die Schlacht roch jetzt nach Rauch. Tyl Loesp erinnerte sich daran, dass der Geruch des Kampfes einst der von Schweiß und Blut gewesen war.
»Wie schrecklich für dich!«
»Noch schrecklicher für den Doktor.«
»Nun, ja, aber als du ihn gefunden hast, litt er nicht mehr.« Renneque sah von Oramen zu Harne. »Das stimmt doch, nicht wahr, Mylady?«
»Es ist eine höchst bedauerliche Angelegenheit«, sagte Harne. Sie trug ihr bestes, besonders ernstes Trauer-Rot, saß umgeben von ihren engsten Hofdamen und in Begleitung von weiteren edlen Frauen und Männern, die sie in ihren Salon eingeladen hatte. Das Prachtzimmer gehörte zum Apartment im Hauptpalast, weniger als eine Gehminute
vom Thronsaal entfernt. Es war eine auserwählte Gruppe. Oramen erkannte einen berühmten Maler, einen Schauspieler, einen Operndirektor, einen Philosophen, einen Sänger und eine Aktrice.
Der eleganteste und attraktivste Priester der Stadt war zugegen, das lange schwarze Haar glänzend, in den Augen ein Funkeln, umgeben von einem eigenen kleinen Hof aus errötenden jungen Frauen. Mehrere alte Adlige, zu altersschwach für den Krieg, vervollständigten die Gesellschaft.
Oramen beobachtete, wie Harne geistesabwesend einen schlafenden Ynt streichelte, der zusammengerollt auf ihrem Schoß lag – das Fell des Tiers war rot gefärbt, passend zu ihrem Gewand -, und er fragte sich, warum er eingeladen worden war. Vielleicht handelte es sich um eine Versöhnungsgeste. Oder Harne hatte die grausige Geschichte von ihm selbst hören wollen. Und natürlich war er der Thronerbe. Oramen hatte festgestellt, dass viele Leute das Bedürfnis verspürten, ihm so oft wie möglich ihr Gesicht zu zeigen. Das durfte er nicht vergessen.
Er sah Renneque an, lächelte und stellte sie sich nackt vor. Nach Jish und ihren Freundinnen hatte er eine Vorlage für seine Fantasie. Und dann war da noch Ramile, eine weitere von Harnes Damen, eine schlanke Blondine mit gelocktem Haar. Sie hatte seinen Blick bemerkt und offenbar nichts gegen sein Interesse einzuwenden; häufig erwiderte sie ihn, mit einem scheuen Lächeln. Renneque hatte die junge Frau einige Male angesehen und sie dann angestarrt. Vielleicht konnte er die eine benutzen, um zur anderen zu gelangen. Oramen begann zu verstehen, wie diese Dinge funktionierten. Und dann gab es natürlich noch die Schauspielerin, die schönste Frau
im Zimmer. Ihr Blick hatte eine erfrischende Direktheit, die ihm gefiel.
»Soweit ich weiß, war der Doktor dafür bekannt, sich selbst mit den euphorisierenden Mitteln seines Handwerks zu behandeln«, sagte der Priester und trank einen Schluck von seinem Aufguss. Sie hatten sich versammelt, um einige neue, seit Kurzem als schick geltende Getränke zu probieren, die alle aus weit entfernten und inzwischen dem Königreich einverleibten Ländern stammten. Die Aufgüsse und Tees waren alkoholfrei, doch einige von ihnen wirkten leicht betäubend.
»Er war ein schwacher Mann«, verkündete Harne. »Wenn auch ein guter Arzt.«
»Es stand so in seinen Sternen geschrieben«, sagte ein kleiner Mann, den Oramen schon einmal gesehen hatte: Harnes neuester
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