Die Sphaeren
damit sie einen Überraschungsangriff auf das Kerngebiet der Sarl führen konnten.
Hatten sie voller Selbstgefälligkeit geglaubt, dass die Oct auf ihrer Seite waren? Hatten auch sie sich die Vorträge darüber angehört, dass die Oct direkte Nachfahren der Schalenwelterbauer waren, und hatten sie ebenso geduldig genickt? Waren sie davon überzeugt gewesen, dass höhere Mächte die Rechtmäßigkeit ihrer Sache anerkannten? Für diese Streitmacht galt das zweifellos. Für tyl Loesp hatte es den Anschein, dass alle glaubten, im Recht zu sein. Mit solcher Hingabe glaubten sie daran, dass die Intensität des Glaubens ihren Überzeugungen Wahrheitscharakter zu verleihen schien.
Es waren alles Narren.
Es gab kein Richtig und Falsch, nur Effektivität und Unfähigkeit, Macht und Schwäche, Schläue und Leichtgläubigkeit. Dass tyl Loesp dies wusste, gereichte ihm zum Vorteil, doch es war der Vorteil des besseren Verstehens, nicht der moralischen Überlegenheit – in dieser Hinsicht machte er sich nichts vor.
Werreber und er konnten nur hoffen, dass sie irgendwie in die Pläne passten, die die Oct mit ihnen hatten, und für sie
nützlich blieben, bis es ihnen gelungen war, die eigenen Pläne zu verwirklichen. Die Oct wollten aus irgendeinem Grund, dass die Deldeyn an Einfluss verloren und die Sarl an Macht gewannen, und tyl Loesp hatte eine Vermutung, was jene Gründe sein mochten, und warum sie diese Route nahmen und nicht die direkte. Derzeit fand er sich bereitwillig damit ab, dass sie alle Werkzeuge waren, die die Oct für ihre Zwecke benutzten. Das würde sich ändern, wenn es nach ihm ging, aber bis dahin mussten sie sich damit begnügen, benutzt zu werden.
Die Veränderung würde kommen. Es gab Zeiten und Punkte in der allgemeinen Entwicklung, bei denen eine kleine, entscheidende Bewegung eine ganze Kaskade von bedeutenden Konsequenzen auslösen konnte, und dann wurde der Benutzer zum Benutzten, und das Werkzeug zur Hand und auch dem Gehirn dahinter. War er, tyl Loesp, nicht die rechte Hand des Königs gewesen? Hatte man ihn nicht für den Inbegriff des treuen Helfers gehalten? Und doch, als der richtige Zeitpunkt gekommen war … Hatte er nicht zugeschlagen, mit der ganzen Kraft, die sich während eines Lebens der Gefügigkeit und Unterwürfigkeit angesammelt hatte?
Er hatte den König getötet, jenen Mann, von dem alle um ihn – nicht nur die leichtgläubigen Massen – glaubten, dass sie ihm alles schuldeten. Aber er, tyl Loesp, kannte die Wahrheit, und sie lautete: König zu sein bedeutete nur, der größte Rüpel unter vielen zu sein, der größte angeberische Scharlatan unter vielen aufschneiderischen Priestern und eingeschüchterten Akolythen, der lauteste Brüller unter den Brüllenden. Der König hatte weder angeborenen Adel noch das ihm in die Wiege gelegte Recht zu regieren. Die Idee von erblicher
Dominanz war Unsinn, wenn sie Leute wie den formbaren, gefügigen Oramen und den hoffnungslos verkommenen Ferbin hervorbrachte. Rücksichtslosigkeit, fester Wille und die uneingeschränkte Anwendung von Gewalt und Macht – nur damit ließen sich Autorität und Dominanz sichern.
Es gewann jener, der am deutlichsten sah, wie das Universum funktionierte. Tyl Loesp hatte gesehen, dass Hausk die Sarl bis zu einem Punkt führen konnte, nicht weiter. Dem König war das nicht klar gewesen. Er hatte auch nicht erkannt, dass der Mann, dem sein besonderes Vertrauen galt, eigene Pläne, Wünsche und Ambitionen hatte und ihnen am besten gerecht werden konnte, wenn er den König ersetzte. Hausk hatte tyl Loesp vertraut, und das war dumm gewesen. Und auf einem Gipfel, so offen und hoch wie der des Monarchen, bezahlte man für derartige Dummheiten.
Er hatte also den König getötet, doch das wollte nicht viel heißen. Die Ermordung des Königs war nicht schlimmer als die irgendeines anderen Mannes, und die meisten Menschen wussten, dass alle Leben billig und entbehrlich waren, auch ihr eigenes. Es war ihnen nur deshalb so wichtig, weil sie kein zweites hatten, nicht deshalb, weil es dem Universum so viel bedeutete. Man brauchte eine Religion, um die Leute davon zu überzeugen, und tyl Loesp wollte dafür sorgen, dass dieser Aspekt des Sarl-Glaubens in Zukunft ein wenig beiseiterückte und Dogmen wich, die Bescheidenheit und Gehorsam betonten.
An Hausks Tod bedauerte er nur, dass dem König zu wenig Zeit geblieben war, über das Geschehene nachzudenken und zu überlegen, was seinem getreuen Helfer all die Jahre durch
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