Die Spiele des Herrn (Johann Von Der Morgenpforte) (German Edition)
Kopf. Immer noch fragte sich Johann, welche Haarfarbe die junge Frau wohl haben mochte. Er sah ihre Augen vor sich, ihr Leuchten, wenn sie lächelte. Ida war nicht die erste Frau in Johanns Leben, doch auf jeden Fall die unerreichbarste. Ob dies Teil des Reizes war, der von ihr ausging? Johann konnte sich die Frage nicht beantworten. Ob es das Verbotene war? Auch das wusste Johann nicht. Aber ihm erschien wieder das Bild Evas im Paradies vor Augen. So musste sich Adam gefühlt habe, als er die verbotene Versuchung in greifbarer Nähe vor sich hatte. So wie Johann heute Ida in wahrhaft greifbarer Nähe bei sich hatte. Er rieb sich die Stelle der rechten Hand, an der sie ihn beim Tanz berührt hatte. Aber es war nicht an der Zeit, über Ida nachzudenken. Johann hatte wichtigeres zu tun. Es ging schließlich um sein Leben. Mitgift oder Leben!
Die Flüsterstimme der Erscheinung ging ihm wieder durch den Kopf. Johann schmiedete an seinem Plan. Ob er den Vogt offen nach der Mitgift fragen sollte? Machte er sich damit verdächtig? Vielleicht sollte er danach fragen, um sie zu zählen. Aber machten dies Adelige? Niemand sollte denken, er wäre arm. Nur arme Leute zählten ihr Geld wie ein Bettler in seiner Hand. Dies war also nicht der Weg. Aber wenn er wüsste, wo die Mitgift aufbewahrt wurde, dann könnte er sie schlicht stehlen und verschwinden. Aber zweitausend Silbermark zu tragen war allein vom Gewicht her nicht leicht möglich. Außerdem schämte er sich für seine eigenen Gedanken. Was würde mit Ida passieren, wenn er sie ihrer Mitgift beraubte? Würde sie mittellos noch einen Mann finden? Würde sie nach dieser Schmach, einem falschen Bräutigam aufgesessen zu sein überhaupt noch jemand wollen?
Bleib bei deinen Gedanken! Es geht um dein Leben. Mitgift oder Tod!
Johann fasste einen neuen Beschluss. Das Beste wäre es zu verschwinden. Vielleicht schaffte er es doch, sich davon zu machen. Mit einem schnellen Pferd wie seiner Stute wäre er in Stunden schon außerhalb ihrer Reichweite und vielleicht morgen schon zu Hause. Am besten er würde sofort aufbrechen. Johann ging zur Tür, öffnete sie und spähte hinaus. Niemand zu sehen. Dann schloss er die Tür wieder.
Jämmerlicher Feigling! Aber vielleicht überlege ich mir erst eine Erklärung, was ich hier mache, so mitten in der Nacht mit meinem Pferd.
In der Tat, sollte ihn jemand fragen sollte er eine gute Erklärung für sein Tun haben. Ein Austritt in der Nacht war wenig glaubwürdig. Außerdem wusste er nicht, ob nicht die Wachen ihrem Vorsteher sofort Meldung machten. Und besonders gegenüber Walram wollte er sich nicht verdächtig machen.
Da kam Johann die Idee. Morgen würde er ganz einfach Gottfried bitten, mit ihm auszureiten. Vielleicht zu diesem Dorf, in dem am nächsten Tag der Markt stattfinden sollte. Das war gut! Eine Stadt mit Marktprivileg bot in ihrer Emsigkeit bestimmt eine Chance zu entkommen, sowohl den Männern dieser Burg als auch den Schergen, von denen Johann nicht einmal wusste, wer und wie viele sie waren. Aber es war eben eine Chance!
Johann beruhigte sich und legte sich hin. Die Müdigkeit war übermächtig und schnell schlief er ein. Sein letzter Gedanke galt wieder Ida, die ihm in seinen ersten Traumbildern einen sanften Kuss zuhauchte.
22. September 1288
Ida erwachte. Langsam nahm die Welt in ihrer dunklen Kammer wieder Form und Gestalt an. Die Kerzen an ihrem Bett waren über die Nacht hinweg alle ausgebrannt, lediglich eine kleine Flamme spendete noch zaghaftes Licht. Ida blieb noch einen Moment liegen. Sie dachte an den gestrigen Abend und an die rauschende Willkommensfeier. Heute würde sie nicht feiern, erst wieder wenn auch Dietrichs Familie auf der Burg angekommen war, also vielleicht morgen schon. Ida war neugierig auf die Familie ihres zukünftigen Gatten. Dietrich. Ihre Gedanken kreisten um ihn wie ein Insekt um eine Flamme. Und so fühlte sich Ida auch. Als hätte sie sich an ihm entflammt. Sie war beinahe aufgeregt, ihn heute Morgen wieder zu sehen. Zur Morgenandacht schon würden sie sich begegnen. Ida zweifelte an dem was in ihr vorging. Dieses Gefühl kannte sie nicht. Sie war verwirrt und klar zu gleich. Ein Wort beherrschte seit gestern Abend ihre Gedanken: Dietrich. Ida fragte sich, wie es dazu gekommen war. Gestern noch wäre sie lieber gestorben, als diesem Mann nur zu begegnen, geschweige denn, ihn zu ehelichen. Und heute schon, schien er ihr so vertraut. Dabei wusste sie kaum mehr als seinen Namen.
Weitere Kostenlose Bücher