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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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welchen Umständen Sie den Brief entdeckt haben.«
    Zhu hörte zu, als Sun Bingjun ruhig und bedächtig seine Geschichte erzählte. Er begann damit, dass Bo Gaolis Witwe Xin Zhu wegen eines Briefes angerufen hatte. Dann wich sein Bericht von der Wahrheit ab. »Hua Yuan hat ihm mitgeteilt, dass der Brief mit Wu Liang zu tun hat. Zhu ging zu Recht davon aus, dass man sein Eingreifen mit Misstrauen betrachten würde. Deshalb hat er zunächst mich verständigt. Ich habe ihm versprochen, sofort zu kommen. Er hat vor dem Haus auf mich gewartet, und wir sind zusammen eingetreten.«
    Zhu wäre lieber gewesen, wenn der Alte angegeben hätte, dass er als Erster eingetroffen war, aber vielleicht waren die mürrischen Purpurjade-Wachen nicht bereit gewesen, ihre Aufzeichnungen über Zhus Ankunft abzuändern.
    »Wir haben die Tote in der Küche gefunden«, fuhr Sun Bingjun fort, »und kurz darauf habe ich in ihrer Tasche diesen Brief bemerkt. Auf meine Bitte hin hat Xin Zhu ihn herausgezogen. Zusammen haben wir ihn im Speisezimmer gelesen. Darauf habe ich Xin Zhu befohlen, das Anwesen zu verlassen, weil mir wichtig erschien, dass er so wenig wie möglich beteiligt ist. Dann habe ich meine Leute hinbestellt, um aufzuräumen und alle Spuren der Gewalttat zu beseitigen. Ich habe die Situation mit Yang Xiaoming erörtert, der darum gebeten hat, dass wir eine vorläufige Untersuchung durchführen, ehe wir ihn hinzuziehen.«
    Für Zhu war das keine Überraschung. Yang Xiaoming, der Leiter des Aufsichts- und Verbindungsausschusses, wollte sich natürlich erst mit dieser Sache befassen, wenn alles in Stein gemeißelt war.
    »Bedauerlicherweise«, fuhr Sun Bingjun fort, »ist es unter den gegebenen Umständen unmöglich, Xin Zhu völlig aus dem Spiel zu lassen. Er ist derjenige, der ursprünglich die Sorge über einen amerikanischen Agenten in unserer Mitte geäußert hat; er ist es, der seit Monaten versucht, uns aus unserer Lethargie zu rütteln. Und wie haben wir ihm seine Anstrengungen vergolten? Vor allem mit Unannehmlichkeiten. Sicherlich waren wir von der Richtigkeit unserer Einschätzung überzeugt, doch das ändert nichts an der Tatsache, dass Xin Zhu als Einziger auf qualifizierte Weise darlegen kann, ob und wie die Theorie über Genosse Wu Liang zutreffen könnte, an die Bo Gaoli offensichtlich fest geglaubt hat, bevor er von Wu Liang festgenommen wurde und starb.«
    Als Sun Bingjun eine Pause einlegte, machte Wu Liang einen kranken Eindruck. Er schielte beinahe vor Anstrengung, so konzentriert starrte er zuerst Sun Bingjun an, dann Zhu. Ungerührt und schweigend erwiderte Zhu seinen Blick.
    »Angesichts der neuen Beweise«, schloss Sun Bingjun, »schlage ich vor, Xin Zhu um einen Bericht über seine Erkenntnisse zu bitten. Sofort. Sind alle damit einverstanden?«
    Niemand sagte ein Wort.
    Der Alte war noch nicht fertig. »Um ein Wort Wu Liangs bei seinem ersten Versuch zur Behinderung von Xin Zhus Nachforschungen aufzugreifen: Es ist nicht an mir, dieses Boot zu lenken. Lassen Sie uns bitte abstimmen.«
    Natürlich wollten alle Zhus Darstellung hören, selbst Yang Qing-Nian. Wu Liang enthielt sich, fragte aber nach der Abstimmung: »Darf ich etwas sagen?«
    »Selbstverständlich«, antwortete Sun Bingjun.
    Wu Liang setzte sich zurecht. Er hatte den fotokopierten Brief in der Mitte zusammengelegt und fuhr nun mit den Fingernägeln über die Falte. »Diese Farce wird weitergehen, egal, wie ich mich äußere. Das ist mir klar. Doch ich möchte hiermit zu Protokoll geben, dass ich der Volksrepublik treu ergeben war und bin. Wie Xin Zhu hat mich die mögliche Existenz eines amerikanischen Agenten mit Sorge erfüllt, und erst nach sorgfältiger Überlegung kam ich zu der Auffassung, dass die Maulwurftheorie ein subversiver Akt Xin Zhus war, der sich hauptsächlich gegen mich richtete. Wir haben ja gesehen, wie heftig er auf persönliche Angriffe reagiert – der Tod seines Sohns führte zur Liquidierung von dreiunddreißig Amerikanern. Sein unersättlicher Rachedurst ist also bekannt. Und auch wenn Genosse Sun Bingjun die Sache noch so effektvoll hindreht, wir wissen alle, dass Xin Zhu hinter diesem Manöver steckt. Entweder weil er nachtragend ist oder weil er selbst eine amerikanische Marionette ist und den Verdacht auf seine Feinde lenken will. Ich behaupte nicht zu wissen, welche der beiden Möglichkeiten zutrifft, aber ich werde es herausfinden.« Als er sich schließlich mit einem Seufzer den gefalteten Brief aufs Knie legte,

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