Die Spinne (German Edition)
Sie mich doch gebeten, oder?«
Zhu atmete aus. Allmählich fand jedes Steinchen seinen Platz im Mosaik. Von Anfang an hatte es einen Angriffsplan gegen Xin Zhu gegeben, aber nicht als Vergeltung für die Touristen. Seine Jagd auf Sun Bingjun sollte unterbunden werden. Mit der Orchestrierung einer Scheinattacke gaben sie Wu Liang Munition für den Versuch, Zhu kaltzustellen, und Zhu blieb nur die Möglichkeit zurückzuschlagen. Selbst die Verschwörer hatten in das Spiel eingegriffen: Stuart Jackson hatte sich verführen lassen und Liu Xiuxiu ein paar entscheidende Worte zugeflüstert. Doch der Alte vor ihm hatte sich ganz besonders angestrengt, um seine Haut zu retten: zwei Morde und das jahrelange Tragen einer Maske gegenüber der ganzen Welt. »Anscheinend wissen Weaver und Jones also doch nichts.«
»Und sie werden auch nie was wissen«, antwortete Sun Bingjun. »Da können Sie ganz sicher sein.«
»Das interessiert mich sowieso nicht.«
»Bald wird es Sie interessieren.«
»Was ist mit Alan Drummond?«
»Ja, merkwürdig.« Sun Bingjun hob den Zeigefinger. »Ich habe die Amerikaner informiert, dass Sie ihn kontrollieren, doch da hatte er es ihnen schon gebeichtet. Sein Verschwinden in London war nicht geplant. Das Gleiche gilt für sein Auftauchen und Verschwinden in Hongkong. Vermutlich ist er vor den Amerikanern geflohen, nicht vor Ihnen.«
»Warum?«
Sun Bingjuns Gesicht wurde wieder zur Maske. »Weil Alan Drummond von Anfang an nur auf Ihren Tod aus war, und diesen Traum haben seine Mitverschwörer zerstört. Man darf einem Mann nie seine Träume wegnehmen, wenn man nicht auf die Folgen vorbereitet ist. Natürlich hat man ihm nie gesagt, warum Sie nicht getötet werden dürfen.«
Er will Sie umbringen. Und wenn er das nicht schafft, nimmt er sich Ihre junge Frau vor.
»In Hongkong habe ich vier Leute verloren. Gute Leute.«
»Sind sie das nicht alle?«, bemerkte Sun Bingjun. »Aber leider ist das noch nicht alles. Die hübsche junge Frau, die Sie nach Washington geschickt haben, wurde tot aus dem Potomac gefischt. Anscheinend Selbstmord.«
Zhu rieb sich übers Gesicht. Er hatte keine Lust mehr, über die tristen Einzelheiten der Intrige nachzudenken. Hier in der Zelle zählten diese Dinge nicht mehr. Was zählte, war, dass all diese Menschen ihr Leben verloren hatten, um einen alten Säufer zu schützen, der jetzt nur noch beweisen wollte, dass Zhus Zukunft in seiner Hand lag. Dafür konnte es lediglich einen Grund geben: Er wollte etwas von ihm. »Sie möchten, dass ich mitspiele, ist es das? Damit Wu Liang verurteilt wird.«
»Sie haben bereits mitgespielt, Xin Zhu. Noch zwei Tage, und Sie hätten zufrieden Wu Liangs Hinrichtung gefordert.« Er schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, es mag sein, dass ich nicht so hilflos bin, wie ich aussehe.« Er breitete die Hände aus, um den mageren Körper in dem locker sitzenden Anzug zu zeigen. »Aber das hier ist keine Lüge. Ich bin müde. Ich stehe kurz vor dem Ruhestand, und ich habe einen Anspruch darauf. Ich habe dem Volk lang genug gedient. Deshalb möchte ich, dass Sie meine Position übernehmen.«
Eine seltsame Äußerung. Eine Berufung ins Politbüro? Zhu unterbrach seinen Gedankengang. Nein, das hatte Sun Bingjun wohl nicht gemeint.
Sun Bingjun wartete geduldig, bis er begriffen hatte.
Wie lange arbeitete der Alte schon für die Amerikaner? Hatte es irgendwelche Anzeichen dafür gegeben, die allen entgangen waren?
Existierte vielleicht ein überquellendes Bankkonto in der Schweiz, dessen Vorteile er nach seinem Berufsende im Ausland zu genießen dachte? Zhu stellte sich diese Fragen, um nicht über das anstehende Thema nachdenken zu müssen. »Sie haben dem Volk doch nie wirklich gedient.«
Ein ungeduldiges Seufzen. »Bitte keine Moralvorträge, Xin Zhu. Das verbietet schon Ihre Vergangenheit.«
»Ich habe mich in meiner Vergangenheit immer von meiner Ideologie leiten lassen.«
»In der jüngsten Vergangenheit haben Sie sich nur von Ihren Schuldgefühlen leiten lassen, Xin Zhu. Dieses Massaker an den Touristen. Wer hat Delun denn nach Afrika geschickt, um im Sand zu spielen? Hatten Sie da schon mit ihr geschlafen, oder wollten Sie ihn loswerden, damit Sie sie endlich verführen können? Und was ist nach seinem Tod in Ihnen vorgegangen? Erzählen Sie mir nicht, dass Sie ein vom Mord an seinem Sohn erzürnter Vater waren, denn das ist nur ein Teil der Wahrheit. Sie waren auch erleichtert darüber, dass Ihr Sohn nie zurückkehren und von Ihrem
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