Die Spionin im Kurbad
hast. Deine Freundin, das Fräulein von Lilienstern, hat mir von dir erzählt.«
Fräulein von Lilienstern?
» Altea meint er. Er achtet sehr streng auf die Formen, weißt du«, klärte mich Bouchon auf.
» Möchtest du uns auf der Runde begleiten, Sina?«
Ich maunzte zustimmend und schloss mich den beiden an. Es gab einige erstaunte Blicke, doch wir waren nur wenige Schritte gemeinsam gegangen, da erspähte der Freiherr eine leere Parkbank. Ich spürte seinen Blick auf meinem lahmen Gang.
» Setzen wir uns ein wenig in die Sonne«, schlug er vor.
Sonnenwärme tat Prellungen gut, ich ließ mich in Müffchenhaltung unter der Bank nieder, Bouchon tat es mir gleich.
» Er hat sich von seiner Gallenkolik wieder erholt?«
» Ja, es geht ihm gut, aber er muss Diät halten. Darüber murrt er ein bisschen.«
» Keinen Mandelkuchen?«
» Doch, den darf er. Aber keinen Gänsebraten und fetten Schinken. Dafür soll er reichlich Wasser trinken.«
An uns vorbei flanierten einige ältere Herrschaften, einige Schritte weiter baute Tigerstroem wieder sein Gerät auf, um irgendwas abzulichten. Aber die schillernde Bette war nicht in Sicht- und Riechweite. Dafür unterhielt der Mann im karierten Jackett die Leute wieder mit Wetten. Heute ging es um die Frage, ob Seine Majestät der Kaiser Wilhelm wohl bis zum Mittag am Brunnen erscheinen würde. Was für eine blödsinnige Beschäftigung. Ich plauderte mit Bouchon ein wenig über das, was ich von Kathy erfahren hatte, und Bouchon konnte eine weitere erhellende Tatsache beifügen.
» Lichtbilder oder Photographien nennt man diese Aufnahmen. Sie werden mit einem optischen Gerät gemacht.«
» Ah, ja, von optischen Geräten habe ich auch schon gehört. Mit ihnen verbessern die Menschen ihre Augen.«
» Nicht nur das, sie halten auch fest, was sie sehen.«
Ich gähnte einmal kräftig und ruckelte mich etwas gemütlicher zurecht. Bouchon brummte zufrieden.
Der Freiherr grüßte einige Herren, tauschte Belanglosigkeiten mit ihnen aus und schien die Sonnenstrahlen ebenfalls zu genießen. Er war auf seine Art ebenso ein gemütlicher Charakter wie Bouchon. Was mich auf die Idee brachte, dass ich nach Menschen Ausschau halten sollte, die dem Wesen meiner Kinder ähnlich waren. Sie waren zwar jetzt noch ziemliche Rabauken, aber es stand zu erwarten, dass die beiden Kater bald ruhiger wurden, wenngleich sie ihr Leben lang wohl zu Unsinn neigen würden. Die Kätzin würde eine sanfte Schmuserin werden, doch nicht ohne Intelligenz. Sie hatte schon an Alteas Fingern geschnuppert und würde sich gut auf Menschen einstellen können. Charmant – das war das Wort, das die Menschen dafür hatten.
» Schau, da kommt deine Freundin«, murmelte Bouchon.
Wirklich, Altea, allein in einem schlichten blassblauen Kleid, in dem sie gegen die aufgeputzten Damen wohltuend adrett aussah, kam energischen Schrittes angehinkt. Ich hatte schon bemerkt, dass sie trotz ihrer kaputten Hüfte gerne weit ausschritt. Es war so ihre Art – sie trippelte nicht wie andere junge Damen, sondern bewegte sich recht zielstrebig. An der Bank aber blieb sie stehen. Der Freiherr erhob sich und streckte die Hände nach ihr aus.
» Mein liebes Fräulein von Lilienstern. So kann man einen strahlenden Sommermorgen noch schöner machen.«
» Guten Morgen, Herr Dr. de Poncet. Wie geht es Ihnen? Ach, was frage ich! Sie sehen sehr munter und ausgeruht aus.«
» Das bin ich auch, und ich würde meine Promenade auch sicher weiter ausdehnen, hätte ich nicht zwei bequeme Begleiter bei mir.«
Er deutete auf uns, und Altea lachte.
» Nun, Bouchon könnte ein wenig Bewegung ganz guttun, aber Sina ist gestern getreten worden. Für sie ist es ganz gut, wenn sie sich etwas schont.«
» Dann setzen Sie sich doch eine Weile zu mir, Fräulein von Lilienstern, und unterhalten Sie einen gelangweilten, mit Wasser abgefüllten Mann mit kurzweiligem Geplauder. Wie geht es der gnädigen Frau Mama? Ich hoffe doch, wohl?«
» Sie genießt heute ein Bad. Mit großem Misstrauen, muss ich jedoch erwähnen. Der gestrige Unfall hat sie nachdenklich gemacht. Aber ich glaube, ich konnte ihre Bedenken zerstreuen.«
» Ach, sie sind ganz entspannend, diese Bäder. Und wenn man sich den Aufenthalt in einem Kurbad gönnt, sollte man auch die angebotenen Therapien nutzen. Wie lange haben Sie Ihren Besuch geplant, Fräulein von Lilienstern?«
» Insgesamt sechs Wochen. Eine gute Woche haben wir schon hinter uns gebracht und kennen uns inzwischen
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