Die Spitze des Eichbergs
wo angeblich das Bestechungsgeld übergeben worden sei. Er sei nachweislich sofort zu seinen Schwiegereltern nach Frankfurt gefahren. Wieder mal wusste keiner, was wirklich los war. Sobieray wurde angeklagt, sein Prozess sollte im August beginnen. Die Schalker Fans hätten Kindermann am liebsten gelyncht. Jede Todesart sei er gestorben, berichtete der DFB-Staatsanwalt später. Vor allem nachts, wenn die Fans in den Kneipen nach dem siebten Bier Gewehr bei Fuß standen, klingelte sein Telefon: »Du kriegst einen Bauchschuss, du Drecksack!« - »Heute Nacht brennt dein Haus, du Sau!« - Er war froh, dass der Generalbundesanwalt und Terroristenjäger Kurt Rebmann direkt um die Ecke wohnte, so liefen die Polizeistreifen sein Haus automatisch auch gleich mit ab.
ELFMETERKRIMI
Schalke erwartete die Geißbock-Mannschaft zum Rückspiel in der Glückauf-Kampfbahn. Nach dem 1:4 im Hinspiel rechneten wohl nur noch die kühnsten Optimisten mit einem Erreichen des Finales. Doch sie sollten tatsächlich recht behalten. In einem der dramatischsten Pokalspiele der deutschen Fußballgeschichte (Trainer Horvat: »Alles, was ich erlebt habe, wurde in den Schatten gestellt«) schaffte Schalke ein 5:2, glich nach damaliger Regel damit zum 6:6 aus. Das Elfmeterschießen musste entscheiden. Den 16. Elfmeter verschoss Bernd Cullmann, damit stand Schalke als zweiter DFB-Pokal-Finalist nach Kaiserslautern fest. Günter Siebert wurde ganz euphorisch: »Jetzt wollen wir das Double.« Der 1. FC Köln war mit einigen wirklich sehr merkwürdigen Schiedsrichterentscheidungen überhaupt nicht einverstanden, legte dann auch Protest ein, der aber vom DFB abgewiesen wurde.
Schalke stand jetzt gehörig unter Terminstress. Zum einen nahte die Endphase der Meisterschaft, in der Schalke immer noch ein Wörtchen mitzusprechen hatte, das Pokalfinale stand noch mit Schalker Beteiligung an, und Deutschland stand im Finale der Europameisterschaft. Nach damaligem Modus wurden die Begegnungen bis zum EM-Viertelfinale mit Hin- und Rückspiel auf das Jahr verteilt ausgetragen. Erst ab dem Halbfinale trafen sich die vier besten Mannschaften zur EM-Endrunde in Belgien. Deutschland gewann gegen den Gastgeber durch zwei Müller-Tore mit 2:1 und besiegte im Finale die UdSSR mit 3:0. Bis heute steht ein Urteil, das kaum jemand in Frage stellt: Die deutsche Nationalmannschaft von 1972 war die beste, die es jemals gegeben hat. Beckenbauer, Netzer, Breitner, Müller und Erwin Kremers spielten einen Fußball vom anderen Stern.
In der Bundesliga griff Schalke nach dem letzten Strohhalm. In wirklich allerletzter Minute gelang der 2:1-Siegtreffer im letzten Heimspiel der Saison gegen den VfB Stuttgart per Foulelfmeter. Es kam zu einem wahren »Endspiel« im für die Olympischen Spiele gerade neu errichteten Olympiastadion in München gegen die Bayern. Bei einem Schalker Sieg wären die Königsblauen Deutscher Meister. 79.032 Zuschauer sahen allerdings eine überlegene Bayern-Mannschaft, die bei dem 5:1 eigentlich zu keiner Zeit etwas anbrennen ließ. Deutscher Meister 71/72 war Bayern München.
24. LIBUDAS ABSCHIED
In diesen turbulenten Zeiten machten sich und allein der DFB. Er hat sie mehrmals in auch die Spieler so ihre Gedanken. So zog es seinem eigenen Interesse wegen der Län-Stan Libuda und Heinz van Haaren ins Aus- derspiele und der Europameisterschaft um-land, wo Racing Straßburg mit den Geld- geworfen. Racing Straßburg hat uns verScheinen wedelte. Für 500.000 Mark - die traglich zugesichert, dass Libuda und van höchste Ablösesumme, die bis dato in der Haaren bis zum Abschluss der Saison für Bundesliga gezahlt wurde - sollte Libuda uns spielen. Der DFB soll in diesem Fall zur nächsten Saison in den Eisass wechseln, nicht päpstlicher sein als der Papst.« Die Frage war, wie sich der überaus sensible Doch Schalkes Präsident zauberte noch Rechtsaußen dort wohl fühlen sollte. Denn einen Trick aus der Tasche. Er ließ die beiden der »Stan« brauchte nur die
Zechentürme von Gelsenkir- strippenzieher mit Heimweh: stan Libuda. chen-Bismarck nicht mehr im Blick zu haben, dann überkam ihn bereits Heimweh. Hinzu kam ein weiteres Problem: Libuda und van Haaren hatten nur einen Vertrag bis zum 30. Juni beim FC Schalke 04, das Pokalfinale sollte allerdings erst einen Tag später stattfinden. Der DFB stellte sich natürlich sofort quer und erteilte den beiden keine Spielberechtigung.
Bei Trainer Horvat herrschte begreiflicherweise helle Empörung über diesen
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