Die Spitze des Eichbergs
nicht mehr genügend Mitglieder anwesend waren, um die übrigen Vorstandsposten zu besetzen. Am Schalker Markt hatten sie also ihren »Oskar« wieder.
Man hatte einen Präsidenten, der beim Arbeitsamt Stempelgeld bezog, was es so wohl so schnell kein zweites Mal geben wird. Sieberts ironischer Kommentar: »Gelsenkirchen hat eine der höchsten Arbeitslosenquote, das spiegelt sich natürlich auch auf Schalke wider.« Befürchtungen wurden aber auch laut, dass Siebert wieder »zu groß« werden könnte, schließlich hatte er noch aus seiner gekündigten Managerposition Schadensersatzansprüche an den Verein geltend gemacht, die er sich nun als Präsident praktisch selbst genehmigen konnte.
Siebert machte sofort Nägel mit Köpfen: Berater Emilio Östreicher durfte gleich in Spanien bleiben, da sein Vertrag mit Dr. Hütsch nur mündlich vereinbart wurde. »Ich bin mit meiner Familie in den letzten Monaten durch die Hölle gegangen. Ich habe Muscheln gefahren und viel Zeit zum Nachdenken gehabt«, sagte Siebert, den die Fans auf Händen trugen und den die Mannschaft am nächsten Morgen mit dem Kabinenschrift-zug »Viva Oskar« empfing.
Sie haben ihn immer bewundert, den Mann, der Rüdiger Abramczik entdeckte, der Klaus Fischer und Rolf Rüssmann nach Gelsenkirchen lotste. Diese Sprache haben sie stets verstanden. Nicht die des Juristen Dr. Hütsch, der Prozesse führte und dabei oft verlor, der junge Talente verkaufte und alternde Stars einkaufte. Auf die Frage an Dr. Hütsch, was ihm dieses eine Jahr gebracht hätte, antwortete er: »Ich habe viel gelernt.« Und mit einem Lächeln fügte er hinzu »Das ist eben Schalke.« Vier Worte, die den Kern treffen.
Günter Siebert war wieder Herr auf Schalke. Auf der Jahreshauptversammlung im März 1978 konnte er die Herzen der Schalker Mitglieder für sich zurück gewinnen. Präsident Dr. Hütsch war entmachtet, der Glamour-Manager Emilio Östreicher musste seine Koffer packen. Doch die finanzielle Lage des Vereins spitzte sich immer weiter zu.
Keine Freunde fürs Leben: Karl-Heinz Hütsch und Günter Siebert
Oskar Siebert feierte seinen großen Sieg bis in den Morgengrauen. Dennoch saß er bereits um 8.30 Uhr wieder auf der Geschäftsstelle. Anschließend fand ein Gespräch mit der Mannschaft statt, nachmittags ging es ins Trainingslager nach Flaesheim. Siebert: »Ich habe den Jungs gesagt, dass sie unbedingt den UEFA-Pokal erreichen müssen. Sonst nämlich entsteht ein finanzielles Loch von über zwei Millionen Mark. Das können wir uns nicht leisten.«
Doch es half nichts, sich Mut zuzureden, die Saison 1977/78 schloss Schalke im Mittelfeld als Tabellenneunter ab, der 1. FC Köln durfte sich Deutscher Meister nennen. Schalke verkaufte Ende der Saison Hannes Bongartz nach Kaiserslautern. Sportlich sicherlich ein krasser Fehler, zumal im Vorjahr auch schon Branco Oblak verkauft worden war, aber die Finanzsorgen drückten immer mehr, da kamen die 812.000 Mark Ablösesumme sehr gelegen. Außerdem gingen En-ver Marie (zurück nach Jugoslawien) und Wim Suurbier (zum FC Metz). Auch Trainer Uli Maslo hatte Siebert nicht überzeugen können, sein Vertrag wurde nicht verlängert.
Schalkes Mannschaft war entscheidend geschwächt worden und stand nun ganz ohne Spielmacher da. Schalke hatte zwar für die neue Saison viele junge Talente, aber es fehlte das »Mittelalter«, Spieler um die 24, 25 oder 26 Jahre, die schon Klasse mitbrachten. Als herausragende Namen waren nur noch zu nennen Fichtel, Bittcher, dazu die Nationalspieler Rüssmann, Fischer und Ab-ramezik, die allerdings bei der WM 1978 in Argentinien auch keine Bäume ausrissen. Rüssmann war dort immerhin noch einer der besten deutschen Spieler.
38. ALTE BESEN KEHREN (NICHT) GUT
Für die neue Spielzeit 78/79 holte Siebert den alten Ivica Horvat als Trainer zurück, mit dem er schon zu Beginn der 70er Erfolge feiern konnte. Sicher nicht nur für die Spieler war dies eine faustdicke Überraschung. Offenbar wollte man den alten Geist wieder heraufbeschwören.
Und noch einer sollte Glück bringen: Ernst Kalwitzki, Ur-Alt-Schalker, wurde von Günter Siebert als Zeugwart für das Trainingslager in Inzell verpflichtet. Charly Neumann freute sich über die Unterstützung, so konnte er sich besser seinen Aufgaben als Mannschaftsbetreuer widmen. Horvats Assistent wurde der Jugoslawe Fahrudin Jusu-fi, der bislang in Österreich tätig war.
Zurück auf Schalke: Ivica Horvat mit seinem neuen Assistenten Fahrudin
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