Die Sprache der Macht
Antwort zufrieden. Irgendwo muss immer „nachgebohrt“ werden. Typische Nach-Fragen sind: „Seit wann ist das so?“, „Wieso meinen Sie das?“, „Warum hat sich vorher keiner darum gekümmert?“, „Sind Sie sicher?“, „Haben Sie mit xy schon darüber gesprochen?“, „Und was ist jetzt die Kernaussage?“, „Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?“ und „Wieso erfahre ich das erst jetzt?“
Der Klassiker unter den Nachbohrfragen lautet jedoch: „Was heißt jetzt … (Man entnehme der Antwort einen Begriff seiner Wahl)?“. Diese Frage ist beliebt, denn sie passt fast immer, wertet den Antwortenden leicht ab (denn seine erste Antwort ist ja erklärungsbedürftig) und sie lässt sich beliebig oft wiederholen. Noch ein wenig stärker wirkt die Variante „Wieso sagen Sie jetzt …?“
Seminaranmeldungen
Herr Richter zu Frau Goldbach, die ein Seminar organisiert hat: „Na, wie ist die Lage?“ – „Alles bestens. Unsere Erwartungen wurden noch übertroffen.“ – „Was heißt jetzt: Ihre Erwartungen?“ – „Wir hatten mit zwanzig Teilnehmern gerechnet. Jetzt haben sich aber schon fast dreißig fest angemeldet.“ – „Wieso sagen Sie jetzt: fest angemeldet?“
Es ist unerheblich, ob die Antwort bereits alle nötigen Informationen enthalten hatte. Das dominante Nachbohren hat ja vor allem den Sinn zu zeigen, dass es der Fragende ist, der hier den Ton angibt. Aus diesem Grund ist für jemanden, der dominant erscheinen will oder muss, eigentlich immer eine Nachfrage fällig. Mindestens.
Gegenstrategien
Doch auch wenn man sich in einer untergeordneten Position befindet – alles muss man sich nicht gefallen lassen. Das gilt insbesondere für die Abwertung und die Missachtung seiner Person. Vergreift sich der Dominantere im Ton, kann man ihn direkt darauf ansprechen: „Wie reden Sie eigentlich mit mir?“ Oder: „Ist Ihnen aufgefallen, wie respektlos Sie mit mir/Ihren Mitarbeitern sprechen?“
Ist das Machtgefälle zu groß, werden sich die meisten solche Bemerkungen nicht erlauben, sondern einfach auf Durchzug stellen. Das istimmer noch besser, als sich von den abwertenden Worten treffen zu lassen. Aber man kann sich auch ein wenig behaupten, indem man über die Abwertung nicht hinweggeht. Eine elegante Möglichkeit dafür ist, die kränkenden Worte nicht verstanden zu haben (verstehen zu wollen): „Entschuldigen Sie, was haben Sie gerade gesagt?“ Sogar wenn das Gegenüber seine Worte wiederholt, wurde etwas dagegengesetzt und die Kränkung gewissermaßen markiert. Den Effekt sollten Sie nicht unterschätzen.
Werden Sie vom Fragenden missachtet (→ S. 63, „Den Antwortenden abwerten“), müssen Sie das nicht hinnehmen. Solange sich der andere Ihnen nicht zuwendet, überhören Sie seine Frage einfach. Lässt sie sich nicht mehr überhören, reagieren Sie auf Sparflamme. Sie melden sich mit „Ja“ und beginnen Ihre Antwort mit einem Halbsatz, den Sie nach wenigen Worten abbrechen. So zwingen Sie den andern, sich Ihnen zuzuwenden. Wenn er Sie dabei anfährt, erklären Sie treuherzig: „Entschuldigen Sie, aber Sie waren ja noch beschäftigt …“
Dominanz zurückgewinnen
Ganz anders sieht die Sache aus, wenn es sich um eine Auseinandersetzung „auf Augenhöhe“ handelt. Hier erfordern bereits subtile Manöver eine Gegenreaktion. Als Mitakteur im Machtgefüge darf man sich nicht von dominanten Kollegen oder Geschäftspartnern zum „Auskunftskasper“ degradieren lassen. Vielmehr gilt es, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu bekommen. Und das ist gar nicht so schwer.
Eine verblüffend wirksame Methode besteht darin, die Frage gar nicht zu beantworten, sondern etwas anderes zu erzählen, nämlich was man selbst in diesem Zusammenhang für wesentlich hält. Je weiter man sich dabei von der Frage entfernt, umso schwächer wirkt der nun gar nicht mehr so dominante Fragesteller. Sie vermuten richtig: Es ist die übliche Methode, mit der Politiker unangenehme Fragen zu umschiffen versuchen. Wenn wir ihnen das übelnehmen, dann doch nur, weil wir die Frage, der sie ausweichen, auch gerne beantwortet hätten.
Merkel lässt sich nicht vorführen
Beim Fernsehduell zwischen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Frank Walter Steinmeier gerieten die vier fragenden Journalisten in die Kritik. Sie beanspruchten die dominante Rolle. Dadurch aber drängten sie die Kandidaten in eine untergeordnete Position, was sich diese nicht gefallen ließen. So forderte der Journalist
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