Die Sprache der Macht
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Begriffe besetzen, prägen und umdeuten
Die Wörter, die wir benutzen, sind nicht neutral. Mit ihnen verbinden sich bestimmte Vorstellungen und Gefühle. Wörter können beglücken, einschüchtern, beruhigen oder auch empören. Diese Tatsache hat uns schon mehrfach beschäftigt. Ein Sachverhalt kann – je nachdem, wie Sie ihn bezeichnen – in völlig unterschiedliches Licht getaucht werden. Allerdings sind Sie in der Wortwahl alles andere als frei. Sie müssen auf den vorhandenen Bestand an Wörtern zurückgreifen, von denen jedes seinen ganz eigenen „Beigeschmack“ hat. Sogar wenn Sie einen neuen Begriff erfinden, wird der von Ihrem Publikumimmer eingeordnet werden. Egal, ob es sich um die Kombination vorhandener Begriffe handelt (zum Beispiel „Praxisgebühr“), um die Entlehnung aus einer anderen Sprache (zum Beispiel „Storytelling“) oder um ein Kunstwort (zum Beispiel „Radar“). Sobald wir einen Namen oder einen Begriff aufnehmen, kommen Konnotationen ins Spiel (→ S. 24, „Konnotation und Denotation“).
„Naming“: Produkt- und Firmennamen entwickeln
Wie stark wir von unseren sprachlichen Erfahrungen geprägt werden, zeigt das „Naming“: Unternehmen geben viel Geld aus, um für ihre Produkte (oder auch für sich selbst) einen passenden Namen entwickeln zu lassen. Er soll nicht nur gut klingen, sondern auch zu dem betreffenden Objekt passen. Es ist ein beträchtlicher Unterschied, ob ein Auto „A4“ oder „Mustang“ heißt, ob ein Name auf eine Frauenzeitschrift passen muss oder für eine Software gesucht wird.
Vorsicht: Bedeutungsänderung!
Wir gehen so selbstverständlich mit Sprache um, dass uns meist gar nicht auffällt, wie sie sich verändert. Die Wörter, die wir gestern benutzt haben, erscheinen uns heute nicht anders. Und doch verschiebt sich ihre Bedeutung. Es hängen sich neue Konnotationen an einen Begriff, der „Beigeschmack“ wird ein anderer. Ein Wort hat plötzlich Konjunktur, es ist „in aller Munde“. Später nutzt es sich ab, man mag es nicht mehr hören, und Sie machen sich lächerlich, wenn Sie es in bestimmten Kreisen noch benutzen.
Die Entdeckung der „Nachhaltigkeit“
Innerhalb kurzer Zeit ist der ökologische Begriff der „Nachhaltigkeit“ durch inflationären Gebrauch stark entwertet worden. Dabei hat sich die Sache, die er ursprünglich bezeichnet (nicht mehr Ressourcen zu verbrauchen als „nachwachsen“), keineswegs erledigt. Daher kann man diesen Begriff nicht ohne weiteres aufgeben. Doch empfiehlt es sich, ihn ausschließlich in diesem eng umgrenzten Sinn zu gebrauchen und die Zuhörer eigens darauf hinzuweisen.
Zwei Aspekte sind in diesem Zusammenhang wichtig:
Die Bedeutungsänderung geschieht durch den Gebrauch, der von einem bestimmten Begriff gemacht wird. Wird eine harmlose Formulierung benutzt, um einen gefährlichen Sachverhalt zu bezeichnen, kann die Formulierung sehr schnell ihre Harmlosigkeit verlieren. Umgekehrt kann ein schockierender Begriff auch seinen Schrecken verlieren, wie wir noch sehen werden.
Ob ein Begriff positiv oder negativ besetzt ist, hängt auch davon ab, wer ihn benutzt. Ein bestimmter Ausdruck kann allein dadurch unbrauchbar werden, dass ihn eine Gruppierung für sich reklamiert, mit der man nichts zu tun haben möchte.
Sprache der Macht im Alltag: Abnutzung garantiert
Wenn neue Begriffe attraktiv erscheinen, werden sie von anderen aufgegriffen und weiter verbreitet. Das macht sie zwar erfolgreich und sie nehmen Einfluss auf die öffentliche Diskussion, doch zugleich nutzen sich diese Formulierungen auch ab. Wer etwas auf sich hält, meidet sie und benutzt neue Begriffe oder solche, die ein wenig an den Rand geraten sind.
Gespür für den Beigeschmack
Bevor Sie einen Begriff verwenden, sollten Sie sich darüber im Klaren sein, welche Konnotationen an ihm kleben und wie er sich „anfühlt“. Macht er denen, die Sie ansprechen möchten Angst oder vermittelt er ihnen ein Gefühl von Sicherheit und Kontrolle? Erscheint er sympathisch, ja wertvoll oder stößt er auf Ablehnung? In beiden Fällen können Sie den Begriff nutzen – selbstredend für unterschiedliche Zwecke. So liegt es nahe, ein eigenes Anliegen mit einem Begriff zu schmücken, der positiv besetzt ist.
Die „Umweltzone“
Eine ganze Reihe von Großstädten hat den Autoverkehr eingeschränkt: Nur noch Modelle, die bestimmte Abgaswerte einhalten, dürfen in die City. Außerdem brauchen sie eine bestimmte Plakette, sonst dürfen sie
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