Die Sprache des Feuers - Roman
Einbiegen auf den Freeway beschleunigt.
Während Danskys Camaro auf die Einfädelspur einschwenkt.
Dansky drückt auf die Hupe.
Martin geht auf die Bremse.
Hector ebenfalls, er reißt das Steuer nach rechts, erwischt Martins rechte hintere Stoßstange.
Hab ich das nicht sauber hingekriegt?, denkt Hector.
Schaut in den Rückspiegel, hinter ihm kommt Octavio.
Hector blinzelt und schaut ein zweites Mal, denn was da kommt, ist nicht Octavio, sondern ein Benzintanker mit beachtlichem Tempo. Der Fahrer ist auch auf Vollbremsung gegangen, man hört es am Schnauben der Kompressoren, aber er wird es nicht schaffen.
»Jetzt geht’s rund«, ruft Hector noch, und eine halbe Sekunde später kracht der Tanker in den Van. Die Explosion ist gewaltig. Ein riesiger Feuerball erleuchtet die milde kalifornische Nacht.
Eyewitness News auf Channel 5 sind wieder mal voll dabei. Zufällig kurvt ihr Verkehrshubschrauber in der Gegend, und die Luftaufnahmen von der Karambolage mit den vielen Toten sind der ideale Aufmacher für die Spätnachrichten.
Der Beitrag wird ein Hammer.
Der Blaue stutzt und beugt sich im Sessel vor. »Ist der von uns?«, fragt er, als er Jimmy Dansky im Fernsehen sieht.
Dansky erklärt gerade einem blonden Reporter: »Plötzlich der grelle Lichtblitz. Ich kann froh sein, dass ich noch lebe.«
»Der könnte von uns sein.«
Der Reporter am Unfallort meldet mindestens acht Tote, alles Mexikaner, wie es aussieht.
Das Hawaiihemd sieht den brennenden Van und witzelt: »Hey, aufgewärmtes Chili con carne.«
»Du bist ekelhaft«, sagt Nicky Vale zu ihm.
33
Bei der Trauerfeier gibt es Krawall.
Dabei fängt sie so gut an.
Jack sitzt auf der letzten Bank der Surf Jesus Episcopal Church, die nicht wirklich so heißt, aber von den Einheimischen so genannt wird, weil die geschwungene Turmspitze an eine überkippende Welle erinnert – nach dem Motto: Jesus ist hip, Jesus ist cool, Jesus ist der ultimative Tunnelsurfer!
Surfst du für Jesus, surft Jesus mit dir.
Jack wundert sich ein bisschen über das christliche Begräbnis, doch dann dämmert ihm, dass Nicky zwar Jude ist, aber Pamela eine shiksa war – sicher ein weiterer Grund, weshalb die Schwiegermutter über die Brautwahl ihres Sohnes nicht sonderlich glücklich war.
Die Kirche ist trotz ihrer Größe gut besucht – nicht überfüllt, aber so, dass sie nicht leer wirkt. Die meisten sind südkalifornischer Geldadel. Sie sehen nicht nur gesund und reich aus, man sieht ihnen auch an, dass sie hart daran arbeiten, gesund und reich auszusehen. Tennisbräune, trainierte Körper, und alle kennen sie sich, denkt Jack, der ihre Begrüßungsrituale und ihr Geplauder verfolgt.
... wirklich schade um Pamela ...
... ich mache jetzt Spinning ...
... Graphitgriffe ...
... und hab zwölf Pfund abgenommen ...
... Nicky ist am Boden zerstört ...
... Liegerad, belastet die Knie nicht so ...
... wenigstens keine Sorgerechtsprozesse ...
... bleibt den Kindern viel erspart ...
... Cardio-Kickboxen ...
Eine Menge Unterstützer von Rettet die Strände. Jack erkennt sie an den »Rettet die Strände«-Buttons, die ihm bei einer Trauerfeier reichlich deplatziert vorkommen.
Es gibt Anlässe ... wo man es auch mal sein lassen kann.
Die Familie kommt durch eine Seitentür vorne. Nicky, Mutter Valeshin und die Kinder. Alle in Schwarz.
Schwarz wie verkohlte Asche, denkt Jack.
Nicky wirkt besonders – nein, es gibt kein anderes Wort da-für – elegant. Seidenjackett mit breiten Schultern und schmalem Revers, weißes kragenloses Hemd, schwarze Wildlederschuhe. Als hätte er in einer Sondernummer des GQ Magazine für hippe junge Witwer geblättert und dann seine Bestellung bei Armani gemacht.
Nicky trägt eine gramvolle Gefasstheit zur Schau, und die steht ihm, Jack muss es ihm lassen, unverschämt gut.
Die Frauen, die er hier sieht, scheinen an alles andere als ans Trauern zu denken, und wenn Nicky nicht noch heute eine von ihnen flachlegt, hat Jack eine Wette verloren.
Die Kinder wirken geradezu filmreif: perfekt kostümiert, mit makellosen Manieren, abgrundtief traurig.
Nachdem ihnen der Prediger eine tröstende Hand aufs Haupt gelegt hat, besteigt er die Kanzel. Wartet auf das Verklingen der Orgel und begrüßt die Gemeinde mit einem Lächeln.
Jack meint, ihn aus dem Fernsehen zu kennen. Er hat die obligatorische Silbermähne der Fernsehprediger, nur dass seine nicht so dämlich nach hinten gegelt ist, er trägt ein 75 -Dollar-Styling von Jose Ebert zur
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