Die Sprache des Feuers - Roman
der Rest war eh nur Krempel – das Ganze nervt natürlich, aber wir bleiben hier, auf jeden Fall – wir wohnen im Hotel, zur Miete, im Wohnwagen, bis alles wieder steht.
Und er erinnert sich, dass er dachte: Ob nun Feuer oder Erdbeben – keiner, der diesen Ort liebt, wird hier weggehen, um keinen Preis der Welt.
Die andere Erinnerung an diese Nacht hat mit Goddamn Billy zu tun.
Goddamn Billy und seiner Lkw-Flotte.
Gleich nach den Feuerwehren und Rettungsfahrzeugen kommt Billy. Er sitzt in der Fahrerkabine des ersten Lkw, die Straße ist für den Privatverkehr gesperrt, aber er beugt sich aus dem Fenster und brüllt dem Cop zu: »Das sind keine Privatfahrzeuge! Ich habe Schläuche geladen, Schutzmasken, Handschuhe, Pumpen, Generatoren! Ich habe Decken und Kissen und Verpflegung. Teddybären und all den Scheiß für die Kinder!«
Sie lassen Billy durch.
Billy hält Einzug in Laguna wie General Patton.
Er hatte am frühen Nachmittag im Radio von den Bränden gehört, sich den Wind und das Wetter angesehen und beschlossen, dass die Lage ernst war. Also löste er den Katastropheneinsatz aus, an dessen Vorbereitung er Jahre gearbeitet hatte, »denn man konnte sich ja ausrechnen, dass es irgendwann passieren musste !«
Alle Leute von der Schadensabteilung wurden alarmiert und einbestellt, egal wo sie gerade steckten. Alle Regulierer, alle Innendienstler, Kantinenhelfer, Abteilungsleiter, alle, die nicht schon zum Löschen unterwegs waren. California Fire and Life besitzt nur ein paar eigene Trucks, aber Billy hat die Lkw-Stellplätze in Costa Mesa abgeräumt, binnen Stunden mit Hilfsgütern beladen und dem Feuer entgegengeschickt. Dort haben sie brav gewartet, bis die Feuerwehr durch war, dann gab Billy Befehl zum Einmarsch.
Jack weiß, dass viele Hilfsgüter vom Roten Kreuz und von der National Guard kamen, so manches aber auch von California Fire and Life. Und als er da am Strand stand und glaubte, das Feuer werde sie alle ins Meer treiben und Schlimmeres, stand Goddamn Billy neben ihm, bediente die Pumpe und knurrte: Hoffentlich haut das Feuer bald ab, ich will endlich eine rauchen!
Man muss ihn einfach gernhaben, diesen Goddamn Billy, denkt Jack, als er jetzt durch Laguna fährt. Und an diese Brandnacht denkt, weil er immer an sie denkt, wenn er nach Laguna kommt.
Es wird wieder passieren, denkt er. Hier oder anderswo.
Er parkt auf dem öffentlichen Parkplatz hinter der Buchhandlung Fahrenheit 451 und läuft die Küstenstraße weiter zur Galerie von Vince Marlowe.
The Marlowe Gallery.
Klingt viel besser als »Antik-Boutique« oder Ähnliches.
Vince Marlowe verkauft Möbel. Alte, teure Möbel. Erlesene Stücke für die Millionärsvillen mit Ozeanblick. Jack war oft bei ihm, nach dem großen Feuer, um verbrannte Möbel schätzen zu lassen.
Drinnen riecht es nach Möbelpolitur.
Der Laden ist vollgestopft mit alten Schränken, Sekretären, Tischen, Sesseln, Kommoden, Spiegeln.
Vince – Anfang sechzig, graues Haar, lachsfarbenes Polohemd und weiße Leinenhose, die nackten Füße in Slippern – sitzt an einem der antiken Schreibtische und tippt Zahlen in die Addiermaschine.
»Oh, oh«, sagt er, als er Jack sieht, »es hat wieder gebrannt.«
Mit einer Stimme, samtig wie alter Scotch.
Er zeigt auf den Sessel neben dem Schreibtisch.
»Kennen Sie Nicky Vale?«, fragt Jack.
»Ob ich den kenne? Ich hab meinen Pool nach ihm benannt!
Das Nicky-Vale-Gedenk-Schwimmbecken. Oje, es ist ihm doch nichts passiert?«
»Nur seiner Frau, Pamela.«
Vince rutscht in seinem Sessel nach unten. »Pamela?«
»Sie haben es wirklich noch nicht gehört?«
Vince ist bestens verdrahtet mit der südkalifornischen Schickeria.
»Ich war nicht in der Stadt.«
Die Erklärung versteht sich von selbst. Laguna im August? Ich bitte Sie!
»Sie ist im Feuer umgekommen.«
»Und die Kinder?«
»Die waren nicht im Haus«, sagt Jack. »Nur Pamela.«
»Sie hatte Probleme.« Vince macht eine Trinkbewegung. »Wie geht’s Nicky?«
»Kümmert sich um seine Möbel.«
Jack reicht ihm Nickys Inventarverzeichnis. »Könnten Sie sich das ansehen, gegen Honorar natürlich, und mir sagen, ob die Wertangaben in Ordnung sind?«
Vince blättert kurz im Verzeichnis. »Ich seh’s mir genau an, aber ich kann schon jetzt sagen, dass die Angaben in etwa stimmen. Verflucht! Die Hälfte von diesen Sachen hab ich ihm verkauft.«
»Das sind also gute Stücke?«
»O ja, Nicky kannte sich aus. Manchmal denke ich, er hat mehr Zeit in meinem Laden
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