Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
weltweit. Folgen Sie mir einfach.»
Professor Hellström betritt den großen Steg und beginnt sich durch das Gewusel zu seinen Füßen nach vorn zu kämpfen. Grothues bleibt nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Das Becken unter seinen Füßen, das zwar groß, aber nicht sehr tief zu sein scheint, ist mit einer rosafarbenen Flüssigkeit gefüllt, die im roten Licht weißlich schimmert. Grothues beugt sich hinab und versucht einen Blick an den Kabeln und Schläuchen vorbei ins Becken zu werfen. Ölige Flechten in Schlammbraun verwehren den Blick unter die Oberfläche. Der Geruch ist unerträglich, eine Mischung aus verfaultem Orangensaft und Red Bull-Konzentrat. Der Professor ist ebenfalls stehen geblieben, der Geruch scheint ihm nichts auszumachen. Er sieht, was Grothues vorhat, geht zurück zu ihm, nimmt eine dünne Stange mit einem beweglichen Haken an der Spitze aus einem Halter und zieht das Geflecht auf der Oberfläche ein Stück zur Seite. Grothues beugt sich vor, riskiert einen vorsichtigen Blick und lässt sich zurückfallen. Noch bevor er sich auf seinen schwarzen Arsch setzen kann, hat er schon einen ordentlichen Schwung des Abendessens herauskatapultiert.
«Nana, Herr Grothues, bitte einen etwas schärferen Blick für die hygienischen Anforderungen, wenn ich bitten darf.»
Die Rüge ist unangebracht, denn in der Flüssigkeit, die das Becken bis zum Rand füllt, schwimmen jede Menge organische Abfälle verschiedenster Art, Zigarettenkippen, einige leere Dosen und Joghurtbecher sind dabei. Dazwischen dümpelt fein säuberlich auf lange glänzende Nadeln gesteckt und verdrahtet das Gehirn eines Hundes. Einige Teile von Kopf und Schnauze sind noch vorhanden, ebenfalls Stücke vom Fell, ein lidloses Auge wandert langsam in der noch verbliebenen Augenhöhle hin und her. Grothues reißt sich zusammen, nimmt dem Professor die Stange aus der Hand und geht weiter den Steg hoch. Alle paar Meter bleibt er stehen, zieht vorsichtig links und rechts das Kabelgewirr zur Seite und wirft einen kurzen Blick ins Becken. Das Atmen fällt ihm schwer.
«Mein Gott! Das müssen ja Hunderte sein!»
Der Professor ist ihm gefolgt.
«Fünfhundertzwölf, um genau zu sein. Nicht mehr und nicht weniger», sagt er gelassen mit einem sardonischen Unterton in der Stimme. «Unser biokybernetischer Mainframe. Der Größte, den es zurzeit gibt.»
«Biokybernetischer Mainframe? Sie meinen, das hier ist ein Computer?»
«Das leistungsfähigste Rechnerarray der Welt, wenn Sie so wollen, ein Kleintierfriedhof zum Wohle der Wissenschaft.»
«Sie wollen sagen, dass das hier Tiergehirne sind? Hunde, Katzen und so?»
«Äh, … alles Mögliche. Wissen Sie, für unsere Zwecke ist es egal, in welchem Körper das Gehirn vorher gesteckt und für welche Spezies es gearbeitet hat. Hier unten sind alle gleich. Eine große Arche Noah der verlorenen Sinne, ein Cluster von organischen Makroprozessoren, zusammengeschweißt zu einem gigantischen Mainframe mit über einer Million TeraFLOPS und damit wie geschaffen für das, was wir hier unten tun.»
«Diese Gehirne leben also?»
«Wie Sie und ich. Künstlich herbeigeführtes Locked-in-Syndrom, nur dass sie sich ihrer nicht bewusst sind. Glauben wir jedenfalls. Quasi der reine Geist, der in den Wassern schwebt.» Professor Hellström kichert abgehackt. «Auch eine Art der Unsterblichkeit, wenn vielleicht auch nicht die erstrebenswerteste.»
«Das heißt, die Gehirne können nicht sterben?»
«Oh, können sie schon. Würden sie vielleicht auch gern. Aber wir sorgen dafür, dass das nicht passiert. Halten sie fit, Gehirnjogging, wenn sie wissen, was ich meine.» Hellström zerrt launig an dem Kabelbaum, der das Gehirn vor ihnen mit irgendetwas Größerem verbindet, sodass es träge hin und her taumelt, und lässt eine weitere Kicherattacke vom Stapel. «Nein, mal im Ernst. Die Anlage ist narrensicher, dabei ausgesprochen bedienungsfreundlich und nahezu wartungsfrei. Wenn ein Gehirn erst einmal präpariert ist, muss man gar nichts mehr machen. Rein in den Ideenpool und fertig. Hauptsache, das Futter stimmt. Ausgewogene Ernährung für Denksportler, Sie wissen schon. Ist aber nicht viel. So ein Gehirn braucht bei Hochlast tatsächlich nur zwanzig Watt in der Stunde, mal fünfhundertundzwölf macht, na? – Genau! – Um die zehntausend Watt. Der energieeffizienteste Großrechner der Welt und damit unser Beitrag zum Umweltschutz.»
Professor Hellström zwinkert ihm zu, dreht sich um und stochert mit
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