Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
verloren hat, zu Boden gleiten. Zu guter Letzt platziert er noch einen letzten kräftigen Tritt in die Nierengegend.
«Verdammte Scheiße!»
Carsten hat sich umgedreht und sieht den Grund für Doktor zu Hülshoffs spontan verpuffte Kooperationsbereitschaft und revitalisierte Überheblichkeit. Vor der Torte stehen zwei bewaffnete Männer in Schwarz und stieren zu ihnen hinein. Einer von ihnen ist der Chef der Abteilung «Staatsschutz und Terrorismusbekämpfung» der Münsteraner Sicherheitskräfte, den Carsten seit der Nullnummer mit dem geplatzten Terrorcampeinsatz in unangenehmer Erinnerung hat. Wie hieß er gleich noch? Grothues oder so ähnlich.
«Vermaledeite Riesenscheiße.» So dicht dran und doch vorbei. Immerhin verspürt keiner der beiden Lust, den Weg durch die Schleuse zu nehmen, was Carsten gut verstehen kann, denn das wäre der reinste Selbstmord. Um nicht wie ein Doofmann dazustehen, zieht Carsten sein MP14 hinter dem Rücken hervor und richtet den Lauf auf den neben ihm auf dem Boden still vor sich hin blutenden Wissenschaftler. Die Herren vor der Scheibe werden direkt eine Spur agiler, rudern mit den Armen «Weg mit dem Gewehr», machen drohende Gesten «Du bist ein toter Mann» und erwarten scheinbar, dass Carsten seine Waffe in die Ecke schmeißt und sich mit über dem Nacken verschränkten Armen neben die Geisel legt, um schicksalsergeben auf seine Festnahme zu warten. Immerhin, er hat eine Geisel, wie ihm mit einem Mal klar wird. Niemand Bedeutendes, aber immerhin. Er entsichert das Gewehr und verpasst dem Doktor einen weiteren öffentlichkeitswirksamen Tritt zwischen die Beine. Bevor weitere nonverbale Botschaften übermittelt werden können, peitscht ein Geschosshagel über den Boden vor den Terroristenjägern und kegelt sie durcheinander. Rückwärts stolpernd gelingt es ihnen, sich zunächst hinter der entgegengesetzten Ecke der Glastorte in Sicherheit zu bringen. Wer der Schütze war, lässt sich nicht feststellen, denn keiner der Beteiligten legt besonderen Wert darauf, seine Deckung zu verlassen. Nach einigen an den Nerven zerrenden Minuten wagt einer der beiden Terroristenjäger einen Ausfall. Wild feuernd beginnt er in geduckter Haltung schräg seitlich über die freie Fläche Richtung Ausgang zu laufen. Kurz bevor er sein Ziel erreicht hat, trifft ihn ein Geschoss ins Bein, sodass er zu Boden gehen muss. Mühsam robbt er aus der Feuerzone. Grothues hockt nach wie vor hinter der Glasecke, kein guter Sichtschutz und gewiss kein Schutz vor größeren Kalibern. Darüber hinaus scheinen ihm die niedrigen Temperaturen Probleme zu bereiten. Carsten fühlt sich bei dem, was er sieht, fast wie ein unbeteiligter Zuschauer. Ein fataler Irrtum, wie ihm bewusst wird, denn auch seine eigene Baustelle hier im Labor ist in desolatem Zustand, Mandy bewusstlos und immer noch krank, Doktor zu Hülshoff bewusstlos und immer noch renitent. In diesem Moment sprintet Grothues los. Er hat gerade knappe fünf Meter geschafft, als ein Geschoss ihn schräg von vorn erwischt und von den Beinen haut. Ein ordentlicher Schwall Blut und Gewebe benetzt den Boden noch bevor er aufschlägt und zuckend auf dem Rücken liegen bleibt. Carsten geht nach vorn und spät durch die Scheibe, nicht ohne sich vorher vergewissert zu haben, dass der Gendoktor noch friedlich schlummert. Wie es aussieht, hat es den Terroristenchefjäger im Bereich der oberen rechten Schulter erwischt, die Eintrittswunde ist wegen der Reflexionen im Glas kaum auszumachen, die Lache aus leuchtend rotem Blut, die sich erstaunlich schnell um Kopf und Schulter ausbreitet, deutet allerdings auf ein deutlich größeres Loch im Rücken hin. Der Mann ist ohne Bewusstsein, scheint aber noch zu leben. Bei den Temperaturen in der Eisfabrik allerdings sicher nur eine Frage der Zeit. Bevor Carsten eine Entscheidung treffen kann, kommt eine weitere Gestalt in Schwarz in gebückter Haltung über die Fläche vor dem Labor gelaufen, die Waffe schussbereit vor der Brust, das Gesicht hinter einer Skimaske verborgen. Entgegen erster Befürchtungen handelt es sich jedoch nicht um Verstärkung, sondern um seinen Dennochkumpel Erkan Ederim. Er erreicht die niedergestreckte Gestalt, geht in die Knie und hält dem Mann einen Zeigefinger an den Hals. Dann blickt er hinüber zu Carsten und hebt er den Finger zum Mund. Pst. Ein nach der ganzen Ballerei überflüssiger Ratschlag. Ederim hängt sich das Gewehr über den Rücken, packt den Ohnmächtigen an den Beinen und zieht ihn
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