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Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Titel: Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Wacker
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schnellen, kurzen Schritten davon.

lxxxii Männergespräch
    Erkan Ederim hat Carsten am Arm gepackt und zu einer Nische zwischen zwei schmalen Edelstahlschränken gezogen. Seine Stimme ist so leise, dass Carsten ihn kaum verstehen kann.
    «Was war das denn jetzt?»
    Carsten hat seinen Kopf an die Schrankwand hinter ihm gelehnt, sein Blick ist in eine ferne Zukunft gerichtet. Ederim packt erneut seinen Arm und schüttelt ihn.
    «He, aufwachen! Kannst du mich hören. Was geht hier ab?»
    Carsten reißt sich zusammen.
    «Weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich … scheinbar nichts weiß. Oder nicht genug. Oder wie auch immer.»
    «Erzähl mir nichts, Sokrates. Ich will jetzt die Wahrheit wissen, sonst …», Erkan Ederim zurrt am Schulterriemen seiner Bleischleuder.
    «Lass mich in Ruhe mit deinem Scheiß. Wenn ich es wüsste, würde ich es dir sagen. Ich weiß nur das, was dieser verkorkste Wissenschaftler mir gesagt hat.»
    «Und was war das, bitteschön?»
    «Mandy ist nicht die, als die sie sich ausgegeben hat.»
    «Keine Frau ist die, als die sie sich ausgibt. Jedenfalls keine, die ich kenne.»
    Carsten rührt müde mit der rechten Hand in der Luft herum. Seine Stimme klingt resigniert.
    «Ja, schon gut. Aber was mich echt aus den Latschen gehauen hat, ist, dass Mandy schon hier war. Ich reiße mir den Arsch auf, schaffe das Mädel ins Labor zu dieser weiß lackierten Affenfresse, und was muss ich hören? Mandys Daten sind schon im System hinterlegt. Schon seit Längerem. Seit einem Jahr, um genau zu sein.»
    «Und mehr hat unser Doktor von und zu nicht zu vermelden?»
    «Ist angeblich vor seiner Zeit gewesen. Und der Datensatz ist gesperrt. Der Kerl lügt garantiert wie gedruckt, aber Mandy kann ich ja wohl kaum fragen.»
    «Also ein großes Rätsel und wir sind die Deppen?»
    «So sieht es aus. – Da wir gerade von Rätseln sprechen … Willst du mir nicht auch mal langsam dein kleines Geheimnis verraten? Warum du noch hier bist, obwohl du gar nicht musst. An meiner charmanten Art oder Mandys treuem Hundeblick kann es ja wohl nicht liegen.»
    «Schon gut, schon gut. Ich bin ja gleich weg. Aber …», Ederim senkt erneut seine Stimme, «auch wenn es dich nichts angeht. Ich habe die Schnauze einfach voll. Diese ganzen vollgesaugten Zecken, der Scheiß, den sie erst reden und dann verzapfen, der Job, Grothues, dieser Wichtigtuer, mein Pisse trinkender Chef, und und und. Für einen Hungerlohn das alles. Und mindestens zehn Jahre muss ich diese gequirlte Kacke noch schlucken, eimerweise, jeden einzelnen verfickten Tag und dann, weißt du, was dann ist?»
    Ederim Augen haben sich zu kleinen glänzenden Kohlestückchen verdichtet. Auf seiner Unterlippe glänzen schaumige Speicheltröpfchen. Carsten muss schlucken, eine Antwort fällt ihm nicht ein.
    «Ich kann dir sagen, was dann ist. Nichts. Keine Pension, keine Rente, keine Altersversorgung, keine Krankenversicherung, keine Zukunft. Wenn ich Glück habe, finde ich einen Job als Senior-Sicherheitsberater in einer Schnapsbude. Wenn ich noch mehr Glück habe, sterbe ich vorher. Wie deine bekloppte Freundin, wer immer sie auch sein mag.
    «Ich kann immer einen Hilfsgärtner brauchen …», setzt Carsten an und wird sofort unterbrochen.
    «Lass den Scheiß! Ich habe gedacht, hier läuft ein lukratives Ding. Irgendein Deal, in den ich mich reinhängen kann. Mal 'n paar Steine gut machen. Absahnen. Aber ich habe mich geirrt. Das Einzige, was hier zu holen ist, sind Krankheiten, die es noch gar nicht gibt.»
    Erkan Ederim dreht sich um und geht hinüber zur Schleuse, die ihn kurz darauf verschluckt.
    Carsten bleibt zurück. Es ist komisch und er weiß nicht, woran es liegt, aber überzeugt hat ihn der Vortrag nicht.

lxxxiii Kampf der Kulturen
    Elias Grothues hat seine mentale Oberfläche wieder glatt gezogen, aber in seinem Magen brodelt immer noch der Ekel. Diese Wissenschaftler, kein Respekt vor gar nichts. Er muss sich die ganze Zeit vorstellen, wie er im Kampf Mann gegen Mann von Kugeln durchsiebt zu Boden geht, worauf ihm ein gefühlsverarmter Pathologieassistent die Birne von der Schulter trennt und sein Gehirn zu den anderen in den rosaroten Tümpel schmeißt. Auf immer und ewig. Er ist wirklich kein Kleingeist, aber was wäre das für ein Leben, wenn es den Tod nicht gäbe? Welche Mühe machte noch Sinn, wenn es kein Ziel mehr zu erreichen gälte, keine letzte Hürde, keine letzte Belohnung als Dank für all die Jahre der Mühsal, kein wohlverdientes Ende? Nein

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