Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
Meinen Sie, dass Sie der richtige Mann dafür sind?»
Der Doktor sitzt mit hängenden Schultern und Mundwinkeln auf einem Drehhocker, er mag Carsten nicht in die Augen sehen. Eine Weile hat Carsten die Befürchtung, dass eine Antwort ausbleiben könnte. Jedoch zu Unrecht.
«Das ist nicht so einfach, wie Sie es sich vorstellen . Auch wenn Sie das nicht hören wollen. Ihre Frau leidet an einer – ich vermute durch Fremdeinwirkung herbeigeführten – akuten myeloischen Leukämie, aber das wissen Sie ja vermutlich selbst. Der Zeitpunkt für eine erfolgversprechende konventionelle Therapie ist seit mindestens zwei, wenn nicht drei Monaten überschritten.»
Noch bevor Carsten das Messer aus der Scheide ziehen kann, hebt Doktor zu Hülshoff seine Hände.
«Moment noch. Ich sagte: konventionell. Wir haben allerdings – und ich denke, gerade das ist der Grund Ihres Besuches – unlängst ein Verfahren entwickelt, das es uns ermöglicht, auch weitgehend zerstörtes Zellmaterial zu restrukturieren. Dieses Verfahren ist extrem aufwendig», er hebt erneut beschwichtigend die Hände, «ja, ich weiß , und – damit komme ich zum Hauptproblem der ganzen Angelegenheit – gerade mal in der Beta-Testphase. Ich kann für nichts garantieren – und das ist die ganze Wahrheit.»
«Das Risiko ist mir bekannt. Die Frage, die sich mir stellt, ist: Haben wir genügend Zeit?»
«Zeit ist nicht das Problem, denn da, wo wir den Eingriff vornehmen müssen, sind wir so sicher wie in Abrahams Schoß. Zumindest für eine gute Weile.»
Er wartet Carstens Antwort nicht ab, sondern startet eine erneute Tipporgie auf seinem Terminal. Sofort erwachen weitere Anlagenteile zum Leben, das Behandlungsmöbel dreht sich um seine Längsachse und bringt Mandy in eine normale Liegeposition, dann beginnen sich die beiden Tische auf den in den Boden eingelassenen Schienen in Richtung auf den schwarzen Monolithen zuzubewegen. Kurz bevor sie ihn erreicht haben, schwingen zwei meterdicke Stahl-Glas-Türen nach innen und machen den Weg frei. Erkan Ederim winkt Carsten mit einer höflichen Bewegung an sich vorbei.
«Alter vor Weisheit und Schönheit, oder wie war das noch mal?» Dann packt er Grothues an den Füßen und zieht ihn hinter sich her. Noch bevor die Tresortüren sich wieder schließen können, ist er hinausgeschlüpft und verschwunden.
lxxxvi Jagdschau
Mit geraffter Robe kniet Kardinal Rolf Schultheiss, kirchliches Oberhaupt und Großinquisitor von Münster, vor einem seiner beiden neuesten Opfer im Glaubenskrieg gegen die Welt, der sterblichen Hülle von Professor Doktor Hellström, einst selbst angehender Herr über Leben und Tod.
«Heilige Mutter Maria, gebenedeit unter den Frauen und gebenedeit die Frucht deines Leibes, bitte für unseren Sünder in der Stunde seines Todes. Amen.» Er erhebt sich wieder, auf seinem Gesicht liegt ein biberschwanzbreites Grinsen. «Bingo, da haben wir ja gleich den Richtigen erwischt. Hellström, der Fürst der Finsternis höchstpersönlich, abgefallen vom wahren Glauben und in die Hölle gefahren im Jahr des Herrn anno zweitausendundeinundvierzig.»
Er packt den Armbrustpfeil am Schaft und versucht ihn aus der Augenhöhle des Professors zu ziehen. Ohne rechten Erfolg.
«Verdammt bis in alle Ewigkeit. Auch im Tod noch ein zähes Leder. Wäre einer der Herren mir mal behilflich?»
Einer der vier Kuttenträger kommt herüber und drückt den Kopf des Toten auf den Boden, sodass der Kardinal mit beiden Händen zufassen kann. Es gibt ein unangenehm saugendes Geräusch, als sich der Pfeil aus dem Schädel löst. Der Kardinal drückt seinem Mitarbeiter das triefende Geschoss in die Hand.
«Saubermachen! Die waren teuer.»
Zwischenzeitlich ist auch der zweite frisch Verschiedene von seiner tödlichen Last befreit worden und die beiden, die das bewerkstelligt haben, kommen zurück zu ihrem Chef.
«Nun?»
«Schlechte Nachrichten. Der zweite Mann ist der Stellvertreter von Grothues, unserem Chefterrorbeauftragten.»
«Ja, und?»
«Na ja, die mögen nicht, dass man ihre Leute erschießt. Werden giftig. Könnte sein, dass wir ein Problem haben.»
Der Kardinal lächelt sie an.
«Wenn wir ein Problem haben, dann hat Gott ein Problem. Los, hinterher!»
lxxxvii Blackpool
Das Innere des Monolithen ist kaum der richtige Ort für Menschen mit einer klaustrophobischen Störung. Die Wände sind glänzend und maulwurfschwarz, in drei Metern Höhe zieht sich ein matt fluoreszierendes Gitter über die gesamte
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