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Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Titel: Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Wacker
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niemand. Ich rufe!»
    Sadlowsky ist mit Latein, Nerven, Kraft und Kampfgeist am Ende, die Verletzung an seinem Bein blutet still vor sich hin. Er nickt müde.
    «Na gut. – Und wen wollen Sie rufen?»
    «Das können Sie sich doch wohl denken, oder? Wofür bezahle ich Sie eigentlich?»
    Freiherr von Hohen Ward ist ungehalten, genervt, angepisst. Unter all dem schlummert noch ein weiteres Gefühl, bereit aufzuwachen und mitzumischen. Freiherr von der Hohen Ward glaubt zu wissen, um welches Gefühl es sich handelt. Es ist Angst.

xcv Handwerk hat goldenen Boden
    Bis auf das Summen der Infusionspumpen ist es still im Raum. Der digitale Köter hat die Pfoten seitlich vom Körper abgestemmt und sieht aus wie ein hundgewordener Rennwagen mit negativem Sturz, die Löffel und Lefzen hängen herunter, die alte Gehässigkeit ist verraucht.
    «Ah, ich verstehe. Vielleicht sollte ich mich bei dir entschuldigen. Ich war etwas grob. Ich meine, dämlich bist du schon. Ich hätte es vielleicht etwas zartfühlender formulieren können. Kognitiv suboptimiert, ausgeprägte praktische Begabung, helle wie ein Schwarzbrot, so was in der Art. Na ja, jetzt ist es zu spät.»
    «Zu spät? Du meinst mit Mandy, äh, Ursula?»
    «Nein, mit dir. Mit Ursula ist alles im grünen Bereich.»
    «Das nennst du grüner Bereich?» Carsten deutet neben sich. Der Bildschirmköter schüttelt den Kopf, dass die Spaghettiohren nur so fliegen.
    «War so dahingesagt. Jetzt natürlich noch nicht. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.»
    «Wie meinst du das? Heißt das, du kannst Mandy helfen?»
    «Mandy nicht, aber Ursula.»
    Carsten ist nicht nach billiger Polemik.
    «Bleib bei der Sache, Berty. Kannst du Ursula helfen oder nicht?»
    «Nicht in Bezug auf deine Person.»
    «Mach mich nicht wahnsinnig. Du weißt genau, was ich meine. Kannst du Ursula wieder reparieren oder wie man das nennt?»
    Der Köter hat Haltung angenommen und mustert Carsten mit majestätischem Blick unter hochgezogenen Brauen.
    «Ursula reparieren? – Ja, das kann ich.»

xcvi Brainstorming
    Es ist laut wie in der Einflugschneise eines Großflughafens, aber Carsten liebt das Heulen, denn es kommt von den unsichtbaren Aggregaten, die gerade damit beschäftigt sind, neue Zellkerne für Mandy-Ursula zu backen. Überhaupt hat sich Brain-Berty plötzlich erstaunlich kooperativ gezeigt, kooperativ und kompetent. Unter minutiöser Anleitung durfte sich Carsten den Riesenkatheder aus seinem hinteren Lendenbereich ziehen und abkoppeln. Jetzt klebt ein Pflaster auf der untertellergroßen, bläulich-schwarzen Einstichstelle, die sich wärmetechnisch anfühlt wie die Magmakammer eines aktiven Vulkans. Dann musste er Wort für Wort, Buchstabe für Buchstabe, Zahl für Zahl kryptische Sequenzen in die Tastatur hacken, denn Berty kann es nicht. Virtuelle Hunde haben keine Administratorrechte und die braucht man, wenn man richtig loslegen will. Jetzt läuft die Sache und Carsten fühlt sich matter als matt. Das mag an den zurückliegenden Strapazen liegen, vielleicht ist es der fortgeschrittenen Stunde geschuldet. Man ist eben nicht mehr in der Verfassung, körperlich ungestraft eine Nacht durchzujubeln. Ach, wie schön wäre es jetzt, eine kühle Finne Selbstgebrautes zu stürzen, sich ohne Zähneputzen, Schlafanzug und Helmut aufs kühle Lager zu werfen und Bubu zu machen. Aber wenn der Wunsch der Vater des Gedankens ist, dann ist Notwendigkeit die böse Stiefmutter. Zeit, sich wieder zusammenzureißen, sich abzulenken, ein gutes Gespräch zu führen. Der Bildschirmköter hat sich zusammengerollt und gibt keinen Mucks von sich, was immer das bedeuten mag. Carsten klopft mit dem Knöchel seines rechten Zeigefingers auf das LCD-Panel.
    «He, Berty, aufgewacht!»
    Tatsächlich hebt der Köter den Kopf und mustert Carsten ungehalten.
    «Was willst du?»
    «Ich dachte, wir könnten uns ein bisschen …»
    «Was?»
    «… unterhalten, meine ich. Die Zeit abkürzen, oder so.»
    «Die Zeit abkürzen? Ich wollte, ich könnte die Zeit abkürzen. Aber wie es aussieht, bin ich in der Ewigkeit gefangen. Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden. Habe ich früher gern gelesen. Hätte aber nie gedacht, dass es mir einmal so gehen würde.»
    «Was ist denn passiert?»
    «Siehst du doch.»
    «Ich sehe nur einen Hund auf dem Monitor. Mehr nicht.»
    «Mehr gibt es auch nicht. Ich habe alles verloren. Erst meinen Körper und schließlich den ganzen Rest.»
    «Willst du

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