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Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Titel: Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Wacker
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darüber reden?»
    Der Köter hat sich hingeworfen und die Augen mit einer Pfote verdeckt. Er zuckt leise vor sich hin. Können Hunde weinen? Es sieht fast so aus. Nach einer langen Zeit richtet er sich wieder auf, an seinen Augen hängt jeweils eine dicke, schimmernde Träne.
    «Ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen soll.»
    «Am besten in der Mitte.»
    «Wo ist die Mitte, wenn das Ende in der Unendlichkeit liegt?»
    «Fang einfach an, Berty.»
    Der Köter schnieft, fängt aber tatsächlich an zu reden. Der Blick fokussiert eine Stelle weit hinter der Wand.
    «Vor langer, langer Zeit gab es einen Forschungsassistenten namens Doktor Bertram Ohnesorg, der lebte in Berlin, nach dem Studium, nach dem Zusammenbruch, als es keine Jobs gab und keine Zukunft. Eines Tages erhielt er von einem ehemaligen Studienkollegen, einem Molekularbiologen namens Kevin einen Tipp. Es gäbe einige freie Stellen in einem hoch geheimen Forschungsvorhaben in der Nähe von Münster zu besetzen. Die Qualifikation war in Ordnung und Bertram erhielt den Job. Er verabschiedete sich von seinen Freunden und zog unter den Berg nach Moria. Der Arbeitsdruck war immens, es gab so gut wie keine Freizeit, aber die Bezahlung war fantastisch. Was nicht ganz so fantastisch war, war das ethisch-moralische Fundament der Chose. Genmanipulation mittels Stammzellen, Virusimplementation, alles hochgefährlich. Irgendwann wurde klar, in welche Richtung der Hase läuft. Es ging nicht um die Entdeckung oder Erschaffung neuer Wirkstoffe zum Wohl der Allgemeinheit, sondern um die Programmierung einer speziellen Zellkernkonstellation, die der gezielten, weil steuerbaren Zerstörung von organischem Gewebe dienen sollte.»
    «Also eine Art ultimative Biowaffe. Abgefüllt und zugekorkt im guten, alten Münsterland?»
    «Du sagst es, alter Mann. Aber irgendetwas ging schief, denn kurz vor der Betatestphase verschwand der Großteil der eintausendundeinhundert Wissenschaftler. Zurück blieben eine leere Gewerbeimmobilie und ein kleiner Kern von einheimischen Forschern, die plötzlich nicht mehr von einem internationalen Großkonzern bezahlt wurden, sondern von einer hiesigen Investorengruppe. Für die wenigen Aufrechten, die übrig waren, blieb damit alles beim Alten. Das Ziel jedoch hatte sich geändert. Jetzt ging es nicht mehr um die Zerstörung des Zellmaterials, sondern um die Reparatur desselben, und zwar nicht lokal, sondern global. Der ganze Körper, das gesamte Gewebe eines Körpers. Das war Bertram eigentlich eine Nummer zu groß, aber es nahte Hilfe von ungewohnter Seite. Doktor Hellström, der Professor Unrat der Molekularbiologie wurde Chef der Abteilung und mit seinem Erscheinen verschwand der Rest von dem bisschen Moral und Anstand, der bis dato noch übrig war.»
    «Ich kenne Professor Hellström.»
    «Nein, du kennst ihn nicht. Wenn Hellström neunzehnhundertundneununddreißig approbiert worden wäre, hätte er sich sicher einen Job als Stationsarzt in Buchenwald, Bergen-Belsen, Auschwitz oder einer vergleichbaren Institution gesucht. Aber auch in unseren Zeiten gab es genug Schaden anzurichten.»
    «Den Eindruck hat er mir aber nicht gemacht.»
    «Du siehst ja auch nur das Ergebnis, nicht den Weg dorthin.»
    «Du meinst …?»
    «Mach dir nichts vor. Professor Hellström ist eine Mischung aus Doktor Einstein und Doktor Frankenstein. Was der Mann im Bereich der Genetik und Hirnforschung geleistet hat, war unbestreitbar mehr als beachtlich. Die Methoden, die er angewandt hat, waren allerdings mehr als verwerflich.»
    «Was meinst du damit? Wenn ich das alles richtig verstanden habe, ist es Professor Hellströms Verdienst, dass Mandy, ich meine Ursula, repariert werden kann.»
    «Das hast du falsch verstanden. – Eigentlich ist es unser Verdienst.»
    «Unser Verdienst? Wen meinst du damit?»
    «Bist du schwerhörig? Meine Chefin und ich haben das Verfahren entwickelt, zumindest die Grundlagen dazu.»
    «Ihr wart das? Ich meine, du warst das. Wann?»
    «Als ich noch Arme und Beine hatte. Bevor man mich im Mainframe verdrahtet hat.»
    «In welchem Mainframe? Was soll das sein?»
    «Das willst du gar nicht wissen.»
    «Und was will ich wissen?»
    Der Köter verdreht die Augen.
    «Dazu nur so viel: Als meine Chefin und ich die grundlegenden Verfahrensweisen der virusbasierten Zellintrusion bis zur Patentreife entwickelt hatten, wollten wir die Ergebnisse veröffentlichen, wie es bei Entdeckungen von dieser Größenordnung und Tragweite üblich ist. Wir hätten

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