Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
vergeblich.
«Mist! Daran hätte ich auch gleich denken können. Das Ding lässt sich natürlich nur von innen öffnen. Wo sollen wir jetzt einen Schlüssel herbekommen?»
«Ich habe einen dabei. Geh bitte mal kurz zur Seite. Nein, besser du verschwindest ganz.» Carsten zieht das MP14 hinter seinem Rücken hervor und klappt die Schulterstütze aus. «Das macht Carstens schneller Schlüsseldienst. Besondere Diskretion dürfte ja wohl nicht mehr von Nöten sein.»
Carsten legt an und betätigt vorsichtig den Abzug. Brüllend verlässt das erste Geschoss den Lauf und stanzt ein Loch in die Metalltür, weitere folgen in Sekundenabständen. Kurze Zeit später liegt die Schließmechanik bloß und Carsten kann die dampfenden Metallfetzen vorsichtig mit der Schulterstütze zur Seite räumen und den daran hängenden Türflügel aufhebeln. Hinter der Tür befindet sich tatsächlich das Nottreppenhaus. Vorsichtig wirft Carsten einen Blick hinunter.
«Das sind aber viele Treppenabsätze.»
«Sei froh, dass es nur abwärts geht.»
«Eigentlich geht es schon die ganzen letzten Jahre abwärts.»
cviii Back to black
Ächzend geht der Sprengmeister-Meister in die Knie und wirft einen vorsichtigen Blick um die Ecke.
«Sieht komisch aus», schnarrt es aus dem kleinen Lautsprecher, der auf seinem Kehlkopf sitzt wie eine dicke Warze, «alles sehr technisch, gar nicht wie ein Labor.»
«Woher weißt du, wie ein Labor aussieht?», knurrt es zurück.
«Ich hatte schon … ist aber auch egal. Lasst uns weitergehen, aber vorsichtig.»
«Wir haben schon zu viel Zeit verloren, wir sollten besser umkehren», sagt der Dritte. «Außerdem habe ich ein sehr ungutes Gefühl.»
«Warum denn jetzt schon wieder?»
«Ich glaube, dass wir hier unten nicht allein sind.»
«Es ist deutlich nach Mitternacht. Du siehst doch immer nur Gespenster.»
Die Sprengmeister haben die schützende Deckung aller unguten Gefühle zum Trotz verlassen. Vor ihnen, aufgebockt auf mächtigen Fundamenten aus Beton und Stahl ruht eine gewaltige Röhre, deren Ende in einem noch gewaltigeren Tunnel verschwindet. Fette Spulen aus armdickem Kabel ragen radial aus der Konstruktion, elektrische Entladungen verbinden die freiliegenden Elektroden mit zischenden Entladungsblitzen. Die Röhre ist mit einer dicken Schicht aus grünem Eis überzogen. Die farbigen Glasplatten, welche die Innenwände mehrerer einzeln herumstehender Rohrsegmente bedecken, funkeln im Licht des elektrischen Gewitters wie der Brillantring am Finger eines Riesen.
«Gespenster? Dann seht euch das mal an!»
Die Blicke der beiden anderen Sprengmeister folgen dem ausgestreckten Arm ihres Mitverschwörers. Durch das Funkeninferno schaurig beleuchtet steht eine schwarz vermummte Figur regungslos unter dem Scheitelpunkt der Riesenröhre. Mit der spitzen Kopfbedeckung und der Armbrust in der Hand sieht sie aus wie der Hausmeister der Hölle persönlich. Unwillkürlich rücken die Sprengmeister näher zusammen.
«Meint ihr, er könnte uns …?»
Aber die Frage beantwortet sich von allein, denn der schwarze Mann hebt mit geschmeidiger Bewegung die Armbrust, zielt und drückt ab. Noch bevor die Sprengmeister einen Rückzug in Erwägung ziehen können, hat der Pfeil den Schleier des mittig stehenden Sprengmeisters durchschlagen und sich in seinem Hals versenkt. Eine Sekunde später sinkt der Getroffene zu Boden. Die beiden anderen Sprengmeister sind auseinander gespritzt wie die Kegel und haben sich hinter einem der Betonfundamente der Röhre in Sicherheit gebracht. In das Knallen und Zischen der Entladungen mischen sich nun die knarzenden Gurgelgeräusche ihres getroffenen Mitstreiters, werden leiser und ersterben schließlich ganz.
«Was in aller Welt war das?»
«Frag mich nicht. Ich möchte nur noch eins: weg!»
Aber das ist leichter gesagt als getan, denn noch bevor der fromme Wunsch der beiden übrig gebliebenen Sprengmeister Gestalt annehmen kann, schlagen mehrere Geschosse in die Röhre über ihnen ein. Es ist mehr als unangenehm: Sie werden auch von hinten unter Beschuss genommen.
cix Auf dem Boden der Tatsachen
«Hast du noch mehr von dem Zeug», fragt Carsten. Der Abstieg über die Feuertreppe hat den größten Teil seiner neu gewonnenen Kräfte verschlungen und ein taubes Gefühl innerhalb seiner Gefäßwände zurückgelassen. Sein Herzschlag stolpert müde vor sich hin, die Lungen scheinen nur noch das Volumen einer kleinen Brötchentüte zu haben. Irgendwo wartet roter Nebel darauf,
Weitere Kostenlose Bücher