Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
musste? Das Ding hier habe ich aufbewahrt, weil ich das Gefühl hatte, ich könnte irgendwann noch einmal deine Hilfe brauchen. Zu Recht, wie sich gezeigt hat.»
Erkan Ederim stiert wortlos auf den Chip, der vor ihm auf dem Tisch liegt.
Carsten hat die Arme vor der Brust verschränkt und grinst schadenfroh.
«Also – sind wir wieder im Geschäft oder sind wir wieder im Geschäft?»
lii Ernste Entwicklungen
«Du hast was gemacht?» Horst stiert seinen Kumpel Carsten mit vor Schreck, Entsetzen, Überraschung, vielleicht aber auch nur vor Bewunderung geweiteten Augen an. Das Bier in seiner Hand ist auf halbem Weg zur Befüllungsöffnung stecken geblieben. Carsten sitzt vor ihm auf dem Sofa und streichelt vorsichtig Mandys Hand, die – wie ihre Besitzerin – einen äußerst baufälligen Eindruck macht. Für ausgelassene Stimmung ist die Lage zu ernst, aber für ein leichtes Verziehen der Mundwinkel reicht es noch.
«Ich habe ihm den Chip mit dem angeblichen Reality-Porno unter die Nase gehalten und gesagt: Friss oder stirb.»
«Und das hat er dir abgenommen? Wollte er sich das Ding nicht ansehen, bevor er dir hilft?»
«Hatte ich natürlich befürchtet, aber er war so baff, dass er gar nicht auf die Idee gekommen ist, mal nachzuschauen. Vielleicht wollte er auch nicht. Ich meine, wer möchte sich nach gut fünfzehn Jahren schon gern daran erinnern lassen, dass er mal kleine Jungs gevögelt hat. Denn nicht zu vergessen: Die Story ist zwar alt, aber wahr.»
«Ich hätte ja nie gedacht, dass der Typ ein Kinderficker ist, alles andere, aber nicht das.»
«Alles andere hat er auch durchgelassen. Der reinste Hormonbunker. Der war so testosteronverseucht, der hätte auch vor deinen Gäulen nicht haltgemacht. Na ja, jetzt ist er ein bisschen ruhiger geworden.»
Mandy ist schon zu Beginn der Unterhaltung weggenickt. Nur ein leichtes Heben und Senken der Brust sowie der leise, rasselnde Atem zeigen, dass sie noch lebt. Horst, dem zwischendurch wieder eingefallen ist, dass er ein leeres Bierglas in der Hand hält, steht auf um Nachschub zu holen.
«Ich hoffe, du hast die Sache dringend gemacht. Ich bin mit meiner Kunst langsam am Ende», sagt er über die Schulter. «Weiß Mandy überhaupt, was du vorhast?»
«Bei ihrem Zustand? Lieber nicht. Ich denke, es ist besser, wenn es eine Überraschung wird.»
«Eine Überraschung wird es in jedem Fall. Hoffentlich wird es eine schöne Überraschung.»
«Wir werden sehen. Ich schnapp sie mir einfach und dann gehts ab auf die Zielgerade.»
«Apropos Zielgerade. Laufen kannst du vergessen. Das schafft Mandy nicht mehr.»
«Gut, dass du‘s sagst. Kann ich mir Peters Rollstuhl borgen. Ich meine, er braucht ihn ja wohl nicht mehr.»
«Ich habe ein sportlicheres Gerät aufgetrieben. Eins, das man notfalls auch etwas schneller schieben kann. Ich stelle mir vor, dass das nützlich sein könnte.»
«Sehr nobel. Wo hast du den her?»
«Von Jochen. – Und wann gehts los?»
«Bald – hoffe ich zumindest. Ederim will uns mit einem Mannschaftswagen abholen. Bisher hat er sich allerdings nicht gemeldet.»
«Hoffe ich auch. In Mandys Interesse.»
«Und? Bist du mit von der Partie?»
Horst setzt das Bier an seine Lippen und trinkt beherzt. Als er das Glas wieder absetzt, ist seine Stimme ein bisschen belegt.
«Geht leider nicht. Termine. Du weißt schon. Immer im Einsatz. Schweizer Messer.»
Carsten runzelt die Stirn.
«Na gut. – Eine letzte Bitte hätte ich aber noch. Genau genommen ist es Mandys letzte Bitte.»
«Na klar. Unter diesen Umständen.»
«Kümmere dich um Helmut. – Für den Fall, dass wir es nicht schaffen.»
liii Unmut
Erkan Ederim nimmt das schartige Holzlineal in seine mit dichtem schwarzem Haar bedeckten Pranken, legt eine kurze Besinnungspause ein und bricht es beherzt in der Mitte durch. Knack, der Hals von Freiherr von der Hohen Ward, knack, der Hals von seinem unleidlichen Chef, knack, der Hals von …
Nach einem kurzen Moment wirft er die Teile auf seinen Schreibtisch und lehnt sich zurück in seinen Bürostuhl. Man müsste diese ganze Bagage in einem Rutsch über den Jordan schießen, aufkochen und in den nächsten Gully schütten, irgendwo vergraben. Gralshüter, Extremkatholiken, Genfuzzis, Steuersünder, Arbeitsverweigerer, Weiber, die ganze Bagage. Am meisten gehen ihm allerdings Hohe Ward und sein Chef auf den Senkel. Wenn man die loswerden könnte, wäre die halbe Miete schon im Sack. Von seinem aufdringlichen Ex-Kumpel Carsten mal
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