Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
der Dialogführerschaft ist angebrochen und Carsten gedenkt keinen Meter zurückzuweichen.
«Ihr macht Fehler aus Versehen, die anderen aus Dummheit. Ich verstehe. Ein Wunder, dass nicht noch mehr draufgegangen sind. Geradezu schade eigentlich.»
«Kein Grund pampig zu werden, Carsten.»
«Egal. Zurück zum Geschäft. Wann bekomme ich von dir …»
«Ich habs dir doch schon gesagt», wird er von Erkan Ederim unterbrochen. «Im Lager waren keine Sprengmeister. Damit ist der Deal null und nichtig. Und komm mir bloß nicht mit dieser Lebensrettungsgeschichte. Das ist‘n alter Hut. Quasi verjährt.»
Carsten hat sich vorsichtig zurückgelehnt. Sein Gesicht hat wieder eine halbwegs erträgliche Farbe.
«Der Deal ist also geplatzt? Na schön, Arschloch. – Ich werde dir jetzt mal eine Geschichte aus den guten, alten Tagen des Menschenhandels erzählen.» Carsten macht eine kurze Denkpause, bevor er sich wieder vorbeugt. «Es war einmal ein kleiner Beamter im mittleren Dienst der Münsteraner Ordnungskräfte, der ein kleines Problem mit Sportwetten hatte. Der daraus resultierende erhöhte Kapitalbedarf mündete in der Annahme eines Kooperationsangebotes der örtlichen Schleusermafia, die im Rahmen ihrer zahlreichen Aktivitäten zunehmend Probleme mit einer Sonderabteilung der Münsteraner Polizei bekam und deshalb neue Wege suchte. ‹Neue Wege›, im wahrsten Sinne des Wortes. An dieser Stelle kam der Leiter der damaligen Stadtentwässerung ins Spiel, der aufgrund eines unvorsichtigen Kontaktes mit halluzinogenen Pflanzen die Aufmerksamkeit unseres kleinen Bullen auf sich gezogen hatte. Als Kompensation für das Verschludern der Akte sah sich der unglückliche Gelegenheitskiffer gezwungen, ganze Wagenladungen von Nutten, Au-pair-Mädchen und Pseudoadoptivkindern durch die Kanalisation zu ihren jeweiligen Zwischenlagern zu transportieren. Im Zuge dieser Aktivitäten …»
«… hat der Kiffer den Schleuser einmal zu Boden gerissen, sodass ein für ihn bestimmter Schuss der Fahnder daneben ging, und er so nicht nur überlebte, sondern auch seiner Verhaftung entging. Hör auf damit. Das ist Geschichte!»
Doch Carsten lässt sich nicht beirren.
«… bog der Kiffer eines Tages vorsichtig um eine Ecke, um nach einer neuen Lieferung zu schauen, und was musste er sehen? Der Bulle stand mit heruntergelassener Hose in der Sammelkammer und hatte Verkehr mit einem seiner Opfer.»
«Was redest du da? – Und wenn schon. – Das ist lange her. Damals war ich noch jung und ständig scharf. Ein echter Mann eben, verstehst du?»
«Das Opfer war keine zwölf.»
«Ja und?»
«Männlichen Geschlechts. Ein kleiner Junge, um genau zu sein.»
Langsam wird Erkan nervös, die gelben Flecken in seinem Gesicht werden zu orangefarbenen Tupfern.
«Nicht so laut. Bist du verrückt. Das ist auch heute …»
«… noch eine schwere Straftat», fährt Carsten fort, «die noch nicht verjährt ist. Auch nach heutigem Recht nicht. Ab dem achtzehnten Lebensjahr des Opfers zehn Jahre, in schweren Fällen zwanzig. Ich habe mich schlau gemacht. Sexueller Missbrauch von illegal eingeschleusten Kindern durch einen Polizeibeamten. Ich würde sagen, das ist so ein schwerer Fall.»
«Ist trotzdem egal.» Ederims Stimme ist so leise geworden, dass Carsten sich nach vorn beugen muss, um ihn zu verstehen. «Im Zweifelsfall steht Aussage gegen Aussage und hinterher kriege ich dich wegen Verleumdung dran. So läuft das hier nämlich, Kanalratte.»
«So läuft es nicht. – Ich habs auf Vi-de-o .»
Jetzt ist es an Erkan Ederim, die Contenance zu verlieren.
«Du hat was?», brüllt er.
«Ruhig, Schwarzer, soll dich jeder hören? Ja, du hast richtig verstanden, ich habe das Corpus Delicti auf Video. Zwar nur in Schwarzweiß, aber immerhin in 1080er Auflösung. Du und dein dummer Schwanz sind prima zu erkennen.» Carsten beugt sich vor und schiebt einen Chip über das Tischchen. «Hier, wirf mal einen Blick drauf. Macht dich garantiert wieder scharf. Wäre vielleicht auch ein schönes Filmchen für einen Herrenabend mit deinen Direktionskollegen. Sind das nicht auch alles Kinderschänder?»
«Wo – hast – du – das – her?»
«Immer noch der alte, dumme Bulle. – Die ganze Kanalisation ist vollgestopft mit Kameras. War zur Flusskontrolle. Wie beim Straßenverkehr. Du hast es nur nie gemuckert, weil die Dinger in speziellen wasserdichten Gehäusen stecken. Was denkst du denn, woher ich immer wusste, wo die Guten sind, wenn ich den Bösen helfen
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