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Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Titel: Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Wacker
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verblutet.»
    «Das tut mir ausgesprochen leid? Soll ich ihm Blut spenden?»
    «Damit das arme Tier auch noch eine Alkoholvergiftung bekommt? Nein, danke.»
    Carsten beschließt, die Dorschens fürderhin zu ignorieren und wendet sich an Sabine, deren Weinen es mittlerweile wieder zu einem ansehnlichen Soundtrack gebracht hat.
    «Was ist los, Sabinchen? Immer noch Jungfrau?»
    «Helmut …», schluchzt Sabine, bevor ihre Stimme erneut versagt.
    «Helmut?», fragt Carsten entsetzt. «Also, ich traue dem Vieh ja einiges zu, aber das …»
    «Doch nicht der dumme Kater! Helmut Steinmeyer, mein Aerobiclehrer, dieses Schwein, erst hat er mich …»
    Aber Carsten kann das Ende des Satzes nicht mehr verstehen, denn er ist mit einer für seinen augenblicklichen körperlichen Status quo erstaunlichen Geschwindigkeit aufgesprungen und aus der Küche gesprintet. Unter Würdigung der Gesamtumstände erscheint es ihm doch vernünftiger, heute einen alkoholfreien Abend einzulegen.

li Geschäftliche Nachverhandlungen
    «Was heißt denn hier: Der Deal ist geplatzt ?» Carstens Stimme ist von Wort zu Wort lauter geworden.
    «Hör auf hier rumzubrüllen, die Leute kucken schon!», Erkan Ederim windet sich unwohl auf dem plüschigen Zierstuhl, der das vorherrschende Sitzmöbel im Café Kleimann ist und dort auf seine Art dafür sorgt, dass niemand über die Zeitspanne hinaus, die für den Verzehr eines Stückchens fetter Torte notwendig ist, einen Futterplatz blockiert. Man sieht ihm deutlich an, dass er noch unlängst zur falschen Zeit am falschen Ort war. Sein Gesicht hat starke Ähnlichkeit mit einem Laubwald im goldenen Herbst, kurz bevor die Blätter fallen. Hier und da leuchtet das Blauviolett eines fetten Hämatoms. Die meisten Beulen sind zwar wieder abgeschwollen, trotzdem ist eine gewisse irritierende Asymmetrie der Gesichtszüge zurückgeblieben. Der linke Unterarm ruht auf dem kleinen Bistrotisch, die Hand steckt in einem schmuddeligen, rosa Elastikverband, auf der Stirn klebt ein frisches Pflaster, unter dem oben und unten die Enden einer hastig vernähten, frisch verschorften Wunde hervorlugen. Im Vergleich zu einigen seiner Kollegen ist er allerdings erstaunlich gut davon gekommen. Er wedelt ein bisschen mit der unverletzten Hand herum, traut sich aber nicht, Carsten in die Augen zu sehen.
    «Sei lieber froh, dass wir dich nicht hoppgenommen haben, nach dem ganzen Mist, den du gebaut hast.»
    « Ich habe Mist gebaut?», Carstens Stimme ist kurz davor, sich zu überschlagen. «Das ist ja wohl DIE HÖHE!»
    «Jetzt reg dich ab!», flüstert Erkan, als könnte er dadurch das Gesamtniveau der Lautstärke downleveln. «Immerhin konnte ich Grothues davon abhalten, dir die Rechnung für den Einsatz zu schicken. Ich mach dir einen Vorschlag: Du zahlst den Deckel hier und wir sind quitt. Na, was sagst du?»
    Carsten hat mittlerweile eine Herzfrequenz erreicht, die im Bereich Maximalpuls plus Lebensalter liegt, und Erkan beginnt sich bereits im Geiste eine Erklärung zurechtzulegen, warum er mit einem frisch vom Schlaganfall gefällten Gärtner zweifelhaften Leumunds in einem Tanten-Café sitzt und Herrentorte löffelt. Tatsächlich dauert es eine Weile, bis Carsten sich wieder so weit im Griff hat, dass er antworten kann.
    «Ich glaube, ich höre nicht richtig. Ihr seid doch tatsächlich dämlicher als die dämlichen Tatort-Bullen von Münster anno dazumal. Ich gebe euch einen heißen Tipp – den Einzigen , den ihr bekommen habt – und ihr versiebt das Ding derartig von gepflegt, dass selbst ein Terroristenjäger im ersten Lehrjahr den Kopf schütteln würde. Und dann – als ob es noch nicht genug wäre – geht ihr hin und versucht mir armen Hund auch noch die Schuld in die Schuhe zu schieben. Da lachen ja nicht mal mehr die Hühner. Das ist das Oberdämlichste, was mir je untergekommen ist. Das kannst du deinem Süßstoff-Rambo ruhig mal stecken.» Carsten sitzt stocksteif auf seinem Stühlchen und schüttelt vorsichtig den Kopf. Die Halskrause aus hautfarbenem Schaumstoff, die Horst ihm aus schleudertraumatischen Gründen verpasst hat, raschelt leise. «Das muss man sich mal vorstellen. Da marschiert ihr Blindgänger in ein Trainingslager für Sprengstoffattentäter und wundert euch, wenn es Bumm macht. Wie viele hat es eigentlich erwischt?»
    «Äh, acht waren es.»
    «Acht?»
    «Ja, acht. Ein tragischer Fehler, versehentlich hat jemand …» Man merkt, dass der frischforsche Ton der Vergangenheit angehört. Eine neue Ära

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