Die Spur der Füchse
nicht nötig, seinen Reichtum zur Schau zu stellen. An der Eingangstür des Gebäudes, das sich unweit der Bank von England befand, war nur ein kleines Namensschild angebracht. Zur einen Seite der Eingangstür befand sich ein Café, zur anderen ein Tabakladen. Ein nichtsahnender Betrachter hätte Nathaniels Bank-und Börsenhandelsunternehmen für eine kleine – und nicht besonders gutgehende – Versicherungsagentur oder ähnliches gehalten. Aber dieser Betrachter konnte ja nicht ahnen, wie weit allein der Fettsche Immobilienbesitz sich zu beiden Seiten der Straße erstreckte.
Das Innere des Gebäudes war eher zurückhaltend als opulent. Es gab eine Klimaanlage und indirekte Beleuchtung, Teppiche und Tapeten waren in Ehren gealtert. Der nichtsahnende Betrachter hätte wahrscheinlich vermutet, daß die Ölgemälde, die an den Wänden hingen, kostbar waren. Er hätte mit dieser Vermutung recht gehabt – und auch wieder nicht: Die Gemälde waren tatsächlich kostbar, aber sie hingen nicht an den Wänden, sondern waren in Vertiefungen im Mauerwerk eingelassen und wurden von Panzerglasscheiben geschützt; nur die falschen Rahmen waren an der Wand befestigt.
Hamilton wurde umgehend in Fetts Büro im Erdgeschoß geführt. Nathaniel saß in einem Clubsessel und las in der Financial Times. Er stand auf, um seinem Freund die Hand zu schütteln.
Hamilton sagte: »Ich habe dich noch nie an diesem Schreibtisch sitzen sehen. Ich dachte immer, du hättest ihn nur zu Dekorationszwecken aufstellen lassen.«
»Setz dich, Derek. Tee? Kaffee? Sherry?«
»Ein Glas Milch, bitte.«
»Würden Sie wohl so nett sein, Valerie?« Fett nickte seiner Sekretärin zu, und die Frau verließ das Büro, um das Gewünschte zu holen. »Der Schreibtisch … nein, ich benutze ihn nie. Meine gesamte Korrespondenz diktiere ich, und nichts, was ich lese, wiegt so viel, als daß ich es nicht in den Händen halten könnte. Warum also sollte ich an einem Schreibtisch sitzen wie ein Buchhalter in einem Roman von Charles Dickens?«
»Verstehe. Dann ist der Schreibtisch nur Staffage.«
»Diesen Schreibtisch gibt es hier schon länger als mich. Er ist zu groß, als daß man ihn an einem Stück zur Tür hinausbekäme, und zu wertvoll, um ihn zu zerlegen. Ich glaube, der Schreibtisch ist so alt, daß dieses Gebäude damals um ihn herum errichtet wurde.«
Hamilton lächelte. Valerie kam mit dem Glas Milch ins Zimmer und verschwand sofort wieder. Derek nahm einen Schluck und musterte seinen Freund. Fett und sein Büro entsprachen einander: Beide waren klein, aber nicht zwergenhaft; dunkel, aber nicht düster; leger, ohne an Seriosität einzubüßen. Nathaniel trug eine Brille mit dickem Gestell, und sein Haar war pomadisiert. Seine Clubkrawatte war ein Markenzeichen gesellschaftlicher Anerkennung. Diese Krawatte ist das einzig Jüdische an ihm, dachte Derek mit einem Anflug von Ironie.
Er stellte das Glas ab und fragte: »Hast du vorhin in der Financial Times etwas über mich gelesen?«
»Ich habe den Artikel nur überflogen. Die Reaktion war vorauszusehen. Vor zehn Jahren hätte eine so schlechte Bilanz wie die der Hamilton Holdings noch hohe Wellen geschlagen – von A, wie Automobilaktien, bis hin zu Z, wie Zinkpreise. Heutzutage ist deine Holding nur einer von vielen Mischkonzernen, die in Schwierigkeiten stecken. Es gibt ein Wort dafür: Rezession.«
Hamilton seufzte. »Warum tun wir das, Nathaniel?«
»Bitte?« fragte Fett verdutzt.
Derek zuckte die Achseln. »Warum schuften wir uns zu Tode, schlafen zu wenig, setzen Vermögen aufs Spiel?«
»Und bekommen Magengeschwüre.« Fett lächelte, doch seine Haltung hatte sich plötzlich verändert. Die Augen hinter den dicken Brillengläsern waren schmal geworden, und er strich sich mit einer Geste über das pomadisierte Haar, die Derek richtig deutete: Fett schlüpfte in seine Rolle als fachkundiger Mann der Finanzwelt, als freundlicher Ratgeber mit objektivem Standpunkt. Deshalb war seine Antwort von wohlberechneter Unverfänglichkeit. » Warum wir tun, was wir tun? Um Geld zu machen. Warum denn sonst?«
Derek schüttelte den Kopf. Seinem Freund mußte man immer zweimal winken, bevor er ins tiefere Wasser trat.
»Oberprimanerwissen in Wirtschaftslehre«, sagte Derek abfällig. »Ich hätte größere Gewinne gemacht, hätte ich meinen Erbteil verkauft und das Geld aufs Postsparbuch gebracht. Die meisten Menschen, die große Unternehmen besitzen, könnten herrlich und in Freuden von den Zinsen leben,
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