Die Spur der Füchse
lange Sicht der Druck immer größer wurde, bis irgendwann der Deckel vom Faß der baulichen Einschränkungsvorschriften flog. Außerdem war er ein geduldiger Mann, was Geschäfte anging.
Der Großteil des Gebäudes war vermietet. Die meisten Mieter waren kleine ausländische Banken, die eine Anschrift in der Nähe der altehrwürdigen Bank von England haben wollten. Entsprechend aufdringlich prangten ihre Firmenschilder an den Fenstern, Wänden und Eingängen. In der Öffentlichkeit ging man davon aus, daß Laski Beteiligungen an den Banken besaß, und Laski förderte diese irrige Annahme auf jede nur erdenkliche Weise – das platte Lügen ausgenommen. Außerdem gehörte ihm tatsächlich eine der Banken.
Die Innenausstattung des Gebäudes war seinen Zwecken angemessen, aber billig: robuste alte Schreibmaschinen, angestaubte Aktenschränke, Schreibtische aus zweiter Hand und abgetretene Teppichböden. Wie jeder erfolgreiche Mann mittleren Alters kommentierte auch Laski seine Erfolge gern mit Aphorismen. Sein Lieblingszitat lautete: »Ich gebe kein Geld aus. Ich investiere es.« Dies kam der Wahrheit sogar näher als die meisten anderen Sprüche dieser Art. Laskis Privathaus, eine kleine Villa in Kent, war im Wert gestiegen, seit er sie kurz nach Kriegsende gekauft hatte. Wann immer möglich, legte er seine Mahlzeiten so, daß er sie als steuerlich absetzbare (und erfolgversprechende) Geschäftsessen einnehmen konnte. Und selbst die Gemälde, die er besaß – sie hingen nicht an den Wänden, sondern lagen in einem Safe –, hatte er nur deshalb erworben, weil sein Kunsthändler ihm gesagt hatte, daß sie im Wert steigen würden. Für Laski hatte Geld die gleiche Bedeutung wie die Spielbanknoten beim Monopoly: Er war nicht seiner Kaufkraft wegen darauf versessen, sondern weil man es brauchte, um das Spiel zu spielen.
Dennoch war Laskis Lebensstil nicht gerade bescheiden. Ein Grundschullehrer, zum Beispiel, oder die Frau eines Landarbeiters hätten Laskis Lebensgewohnheiten als unverzeihliche Völlerei und unverschämten Luxus betrachtet.
Das Zimmer, das er als Büro benutzte, war klein und schmucklos. Es war mit einem Schreibtisch ausgestattet, auf dem drei Telefone standen. Hinter dem Schreibtisch stand ein Drehstuhl, davor befanden sich zwei Sessel für Besucher, und an einer Wand stand ein langes, dick gepolstertes Sofa. Auf dem Bücherregal neben dem Wandsafe waren Reihen dicker Bände über Steuer-und Wirtschaftsrecht untergebracht. Es war ein Zimmer ohne jede Ausstrahlung: Es gab keine Fotos geliebter Menschen an den Wänden, keinen aus dem Hilton-Hotel gestohlenen Aschenbecher und kein Geschenk eines wohlmeinenden Enkelkindes, zum Beispiel einen gräßlichen Plastikfederhalter oder eine dieser kitschigen Glaskugeln, in denen der Schnee rieselt, als Briefbeschwerer.
Laskis Sekretärin war ein tüchtiges, übergewichtiges Mädchen, das stets viel zu kurze Röcke trug. Staunenden Besuchern pflegte Laski zu sagen: »Als der liebe Gott den Menschen den Sex-Appeal gegeben hat, war Carol gerade unterwegs, um sich eine Extraportion Gehirn zu holen.« Das war ein guter Scherz, fand Laski, ein richtig englischer Scherz, wie ihn sich Direktoren und Manager in der Kantine der leitenden Angestellten erzählten. Carol war an diesem Morgen um fünf vor halb zehn ins Büro gekommen und hatte festgestellt, daß der Korb mit dem Schild ›Korrespondenz/Ausgang‹ bis obenhin voller Papiere lag, was am gestrigen Nachmittag, als sie Feierabend gemacht hatte, noch nicht der Fall gewesen war. So etwas tat Laski gern, denn es beeindruckte die Mitarbeiter, hielt sie auf Trab und trug dazu bei, der Entstehung von Neid entgegenzuwirken. Carol rührte die Papiere nicht an, bevor sie ihrem Chef Kaffee gekocht hatte. Auch das gefiel Laski.
Er saß auf dem Sofa in seinem Büro, hinter der aufgeschlagenen Times versteckt, die Tasse Kaffee neben sich auf der Armlehne eines Sessels, als Ellen Hamilton hereinkam.
Sie machte leise die Tür zu und schlich auf den Spitzen ihrer Stöckelschuhe über den Teppich, so daß Felix sie erst sah, als sie die Times hinunterdrückte und ihn über den oberen Rand der Zeitung hinweg anschaute. Das plötzliche Rascheln des Papiers ließ Felix heftig zusammenzucken.
Sie sagte: »Mr. Laski.«
Er sagte: »Mrs. Hamilton!«
Sie hob ihren Rock bis zu den Hüften und sagte: »Gib mir einen Gutenmorgenkuß.«
Unter dem Rock trug sie altmodische Strapse, aber kein Höschen. Laski beugte sich vor und rieb
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