Die Spur der Füchse
nicht?« Dann hatten sich die beiden Männer wieder über das Boxen unterhalten.
Bei so cleveren Burschen wie Tony Cox ging Doreen die Schlagfertigkeit ab, deshalb hatte sie nach diesem Vorfall kein Wort mehr über Willies Aktivitäten gesagt. Zumal ihre Meinung sowieso keine Rolle spielte. Und Willie wäre nie auf den Gedanken gekommen, jemanden deshalb nicht mehr ins Haus einzuladen, weil seine Frau den Betreffenden nicht ausstehen konnte. Schließlich war es Willies Haus, auch wenn Doreen die Miete jede zweite Woche von dem Lohn bezahlte, den sie von einem Versandhausunternehmen bezog.
Heute, an diesem schicksalshaften Tag, war Willie wieder bei einem Tony-Cox-Coup dabeigewesen. Doreen wußte es von Jackos Frau – Willie hätte es ihr niemals gesagt.
Falls Willie stirbt, ging es Doreen durch den Kopf, wird Tony Cox dafür bezahlen, das schwöre ich. Lieber Gott, mach, daß Willie gesund wird …
Die Tür wurde geöffnet, und die Schwester steckte den Kopf heraus. »Sie können jetzt hereinkommen.«
Doreen ging als erste. Ein kleiner, dunkelhäutiger Arzt mit dichtem schwarzem Haar stand drinnen neben der Tür. Doreen beachtete ihn nicht, sondern ging schnurstracks zum Bett.
Zuerst war sie verwirrt. Die Gestalt auf dem hohen Bett aus Metallrohren sah wie eine Mumie aus: sie war bis zum Hals von einem weißen Laken bedeckt, und der ganze Kopf war mit einem Verband umwickelt. Doreen hatte erwartet, das Gesicht des Verletzten zu sehen. Dann hätte sie auf den ersten Blick gewußt, ob es ihr Willie ist. Für einen Augenblick wußte sie nicht, was sie tun sollte. Dann kniete sie nieder und zog behutsam das Laken zurück.
Der Arzt fragte: »Ist das Ihr Mann, Mrs. Johnson?«
»Mein Gott, Willie!« stieß Doreen schrill hervor. »Was haben sie dir angetan!« Ihr Kopf sank langsam herunter, bis ihr Gesicht auf der nackten Schulter ihres Mannes ruhte.
Wie aus weiter Ferne hörte sie Jacko sagen: »Das ist er. William Johnson.« Jacko wandte sich an den Arzt, um ihm Willies Alter und Anschrift zu nennen. Erst jetzt bemerkte Doreen, daß Billy neben ihr stand. Ein paar Sekunden verstrichen, dann legte der Junge seiner Mutter die Hand auf die Schulter. Daß Billy bei ihr war, zwang Doreen, ihren Schmerz zu verbergen oder die Tränen zumindest auf später zu verschieben. Sie gab sich einen Ruck und stand auf.
Der Arzt blickte ernst drein. »Ihr Mann wird durchkommen«, sagte er.
Doreen legte ihrem Sohn einen Arm um die Schulter. »Was hat man ihm angetan?«
»Ein Schuß aus einem Schrotgewehr. Kurze Entfernung.«
Doreen krallte die Hand in Billys Schulter. Du wirst nicht weinen, sagte sie sich. »Wird er wieder gesund?«
»Ich sagte bereits, er wird durchkommen. Aber es besteht die Möglichkeit, daß er das Augenlicht verliert.«
»Was?«
»Wahrscheinlich wird Ihr Mann erblinden.«
Doreen bekam weiche Knie und schrie: »Nein!«
Und dann waren alle um sie herum – blitzschnell; denn die Anwesenden hatten mit einem hysterischen Anfall gerechnet. Doreen schüttelte die hilfreichen Hände ab. Sie sah Jackos Gesicht vor sich und schrie ihn an: »Das hat Tony Cox getan! Du Bastard!« Sie schlug Jacko. »Du Bastard!«
Dann hörte sie Billy schluchzen, und sofort zwang sie sich zur Ruhe. Sie drehte sich zu dem Jungen um, zog ihn zu sich heran und drückte ihn an sich. Er war etwa zwanzig Zentimeter größer als sie. »Aber, aber, Billy«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Dein Dad ist am Leben. Freu dich doch.«
Der Arzt sagte: »Sie sollten jetzt nach Hause gehen. Wir haben ja Ihre Telefonnummer und können Sie sofort verständigen, falls er doch … etwas Unerwartetes eintritt …«
»Ich nehme Mrs. Johnson mit«, sagte Jacko. »Es ist übrigens meine Telefonnummer, die Sie haben, aber ich wohne in der Nachbarschaft.«
Doreen löste sich von Billy und ging zur Tür. Die Schwester öffnete. Draußen auf dem Flur standen zwei Polizisten.
»Was soll das denn?« fragte Jacko. Seine Stimme klang empört.
Der Arzt sagte: »Wir sind verpflichtet, in Fällen wie diesem die Polizei zu verständigen.«
Doreen sah, daß einer der Polizisten eine Frau war, und sie mußte das wilde Verlangen niederkämpfen, ihr ins Gesicht zu schreien, daß Willie sich die Schrotladung bei einem Tony-Cox-Coup eingefangen hatte: das würde Tony das Genick brechen. Doch im Laufe ihrer fünfzehn Ehejahre mit einem Ganoven war es Doreen in Fleisch und Blut übergegangen, beim Anblick von Polizisten zu schweigen oder zu lügen. Außerdem
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