Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Spur der Füchse

Die Spur der Füchse

Titel: Die Spur der Füchse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
wurde ihr klar – in dem Augenblick, als sie den Mund aufmachen wollte –, daß Willie ihr niemals verzeihen würde, sollte sie seinen Boß verpfeifen.
    Nein, sie durfte der Polizei nichts verraten. Aber plötzlich wußte Doreen, wem sie etwas erzählen konnte.
    »Ich möchte einen Anruf machen«, sagte sie.

13.00 Uhr

23

    Kevin Hart rannte die Eingangstreppe hinauf und stürmte in die Redaktion der Evening Post. Ein Bürobote mit weitem Hemd und Plateauschuhen schlurfte an ihm vorbei und schleppte einen Stapel Zeitungen. Es waren Ein-UhrAusgaben der Post . Kevin blieb stehen, riß das zuoberst liegende Exemplar vom Stapel und setzte sich an seinen Schreibtisch.
    Seine Story war auf der Titelseite.
    Die Schlagzeile lautete: ÖLBOSS DER REGIERUNG ERLITT ZUSAMMENBRUCH. Kevin starrte für einen Moment auf die köstlichen Worte: ›Von Kevin Hart‹. Dann las er weiter:

    »Heute morgen wurde Staatssekretär Timothy Fitzpeterson in seiner Wohnung in Westminster bewußtlos aufgefunden.
    Neben ihm, auf seinem Schreibtisch, entdeckte man eine leere Medikamentenflasche.
    Mr. Fitzpeterson, der für Erdölfragen zuständige Ressortleiter im Energieministerium, wurde mit einem Notarztwagen ins Krankenhaus gebracht.
    Da ich für die Post ein Interview mit dem Staatssekretär vereinbart hatte, fuhr ich zu seiner Wohnung und traf dort gleichzeitig mit Constable Ron Bowler ein, den seine Dienststelle zu Staatssekretär Fitzpeterson geschickt hatte, nachdem dieser nicht zu einer bereits anberaumten Ausschußsitzung erschienen war.
    Wir fanden Mr. Fitzpeterson bewußtlos hinter seinem Schreibtisch vor und verständigten umgehend einen Rettungswagen.
    Ein Sprecher des Energieministeriums erklärte: ›Es hat den Anschein, daß Staatssekretär Fitzpeterson versehentlich eine Überdosis genommen hat. Näheres wird die eingehende Untersuchung des Falles erbringen, die bereits im Gange ist.‹
    Tim Fitzpeterson ist 41 Jahre alt. Er ist verheiratet und hat drei Töchter.
    Am späten Vormittag erklärte ein Sprecher des Krankenhauses: ›Mr. Fitzpeterson ist über den Berg.‹«

    Fassungslos las Kevin den Artikel noch einmal. Er konnte kaum glauben, was er da sah. Die Story, die er über Telefon an die Nachrichten-Direktannahme durchgegeben hatte, war bis zur Unkenntlichkeit umgeschrieben worden. In Kevin stiegen Bitterkeit und Leere auf. Dies hätte der Augenblick seines Triumphes sein sollen, doch irgendein Redakteur, der kein Rückgrat besaß, hatte ihm diesen großen Moment gründlich versaut.
    Was war mit dem anonymen Hinweis, daß Fitzpeterson eine Freundin hatte? Was war mit Fitzpetersons verzweifeltem Anruf am Morgen, als er behauptet hatte, erpreßt zu werden? Zeitungen sollten doch die W ahrheit berichten!
    Kevins Enttäuschung wich wachsendem Zorn. Er hatte seinen Beruf nicht gewählt, um ein geistloser Lohnschreiber zu werden. Sicher, bei der Zeitung wurde manches mitunter ein bißchen übertrieben. Kevin hatte keine moralischen Bedenken, an einem ereignislosen Tag aus einer Kneipenschlägerei einen Bandenkrieg zu machen, zum Wohle der Story und der Auflagenhöhe. Übertreibungen waren eine Sache, das Vorenthalten wichtiger Fakten jedoch – insbesondere, wenn es um Politiker ging – zählte nicht zu den journalistischen Spielregeln.
    Wenn ein Reporter nicht auf der Wahrheit beharren konnte, wer, zum Teufel, konnte es dann?
    Kevin stand auf, faltete die Zeitung zusammen und ging zur Nachrichtenzentrale hinüber.
    Arthur Cole legte soeben den Telefonhörer auf. Er hob den Blick, als er Kevin neben sich stehen sah.
    Kevin hielt Cole die Zeitung unter die Nase. »Was soll das, Arthur? In meinem Artikel ging es um einen Politiker, der erpreßt wird und einen Selbstmordversuch unternommen hat. Aber die Evening Post berichtet, er hätte ›versehentlich‹ eine Überdosis genommen, und von der Erpressung ist gar nicht erst die Rede.«
    Cole schaute an Kevin vorbei. »Barney«, rief er. »Komm mal her.«
    »Was ist eigentlich los, Arthur?« fragte Kevin.
    Cole hob kurz den Blick. »Verschwinde, Kevin«, sagte er. »Ich hab’ was Wichtigeres zu tun.«
    Kevin starrte ihn fassungslos an.
    Cole sagte zu dem Reporter namens Barney: »Ruf die Polizei in Essex an und versuche herauszufinden, ob die Bullen wegen des Fluchtwagens in Alarmbereitschaft versetzt wurden.«
    Niedergeschlagen wandte sich Kevin um. Er hatte sich eine Diskussion erhofft, ein Streitgespräch über die Prinzipien des Journalismus, vielleicht sogar eine heftige

Weitere Kostenlose Bücher