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Die Spur der Füchse

Die Spur der Füchse

Titel: Die Spur der Füchse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Küchenfenster schaute, sah er einen Polypen vor der Tür stehen. Bevor Willie öffnete, sagte er zu Doreen: »Gestern abend hat hier bei uns ‘ne Pokerrunde stattgefunden, klar? Ich, Scotch Harry, Tom Webster und der alte Gordon. Wir haben gestern abend um zehn Uhr angefangen und heute morgen um vier Uhr Schluß gemacht.«
    Doreen hatte zuvor die halbe Nacht in einem leeren Haus verbracht und versucht, den kleinen Billy in den Schlaf zu bekommen. Sie nickte nur müde, und als der Polizist sie fragte, antwortete sie genau so, wie Willie es ihr aufgetragen hatte. Seit jenem Tag hatte sie sich ständig Sorgen um Willie gemacht.
    Solange man nur einen Verdacht hat, kann man sich einreden, daß Sorgen unbegründet sind. Aber wenn man weiß , daß der Ehemann wieder einmal unterwegs ist, um in einen Laden oder eine Fabrik oder sogar eine Bank einzubrechen, kommt man nicht umhin, sich zu fragen: Kommt er jemals wieder nach Hause?
    Doreen wußte selbst nicht, warum sie so wütend und ängstlich war. Sie liebte Willie nicht – egal, welche Definition des Begriffs ›Liebe‹ man zugrunde legte. Willie war ein ziemlich lausiger Ehemann. Jede Nacht trieb er sich herum, er konnte nicht mit Geld umgehen, und er war ein armseliger Liebhaber. Das Pendel des häuslichen Glücks war in den vielen Ehejahren nur zwischen ›erträglich‹ und ›jämmerlich‹ hin-und hergeschwungen. Doreen hatte zwei Fehlgeburten gehabt. Dann war Billy gekommen, und daraufhin hatten sie und Willie ihre weiteren Versuche eingestellt. Sie blieben nur Billys wegen zusammen. Doreen ging davon aus, daß sie und Willie nicht das einzige Ehepaar waren, dem es so erging. Nicht, daß Willie sich bei der Erziehung seines behinderten Kindes allzu viel aufgebürdet hatte, Gott bewahre; aber immerhin schien er Billys wegen genug Schuldgefühle zu haben, um Frau und Kind nicht zu verlassen. Der Junge liebte seinen Vater.
    Nein, Willie, ich liebe dich nicht, dachte Doreen, als sie nun über die Krankenhausflure ging. Aber ich will dich, und ich brauche dich. Ich habe mich so sehr daran gewöhnt, daß du neben mir im Bett liegst, wenn du nachts nach Hause kommst. Und es ist so schön für mich, wenn du neben mir auf der Couch sitzt und mit mir Fernsehen guckst, oder wenn du am Tisch hockst und stapelweise Totoscheine ausfüllst – und wenn das Li ebe ist, Willie, dann, glaube ich, liebe ich dich wirklich.
    Sie blieben vor der Tür eines Krankenzimmers stehen. »Ich rufe Sie herein, wenn der Doktor fertig ist«, sagte die Schwester. Dann verschwand sie im Zimmer und schloß die Tür hinter sich.
    Doreen starrte auf die kahle, schmutziggelb gestrichene Wand und versuchte, nicht daran zu denken, was sich hinter der Tür befand. Sie hatte so etwas schon einmal erlebt: als Willie den Safe einer Firma für Sicherheitsschlösser in die Luft gejagt hatte, in dem Lohngelder lagen. Aber damals war es anders gewesen. Willies Partner waren zu Doreen nach Hause gekommen und hatten ihr gesagt: »Willie liegt im Krankenhaus, aber es geht ihm prima. Er ist nur ein bißchen benommen.« Willie hatte zuviel Plastiksprengstoff an die Safetür gepappt und bei der Explosion auf einem Ohr das Gehör verloren. Auch damals war Doreen ins Krankenhaus gefahren – in ein anderes – und hatte gewartet. Aber damals hatte sie gewußt, daß es Willie gut ging.
    Nach dem Coup hatte sie zum ersten und einzigen Mal versucht, Willie von der schiefen Bahn abzubringen. Er schien sogar willens zu sein, ein anständiges Leben zu führen, bis er aus dem Krankenhaus entlassen und mit der bitteren Wahrheit konfrontiert wurde, daß er in diesem Fall arbeiten gehen mußte. Willie hockte ein paar Tage zu Hause herum, und als das Geld ausging, machte er den nächsten Bruch. Später ließ er durchklingen, daß Tony Cox ihn in seine ›Firma‹ aufgenommen habe. Willie war stolz und Doreen fuchsteufelswild.
    Seitdem haßte sie Tony Cox, und das wußte Tony. Einmal war er bei Doreen und Willie zu Hause gewesen, hatte eine Schüssel Chips gegessen und sich mit Willie über das Boxen unterhalten, als er plötzlich innehielt, Doreen anschaute und fragte: »Was haben Sie eigentlich gegen mich, altes Mädchen?«
    Willie hatte besorgt dreingeblickt und gemurmelt: »Immer sachte, Tony.«
    Doreen hatte den Kopf in den Nacken geworfen. »Sie sind ein Gangster«, hatte sie gesagt.
    Worauf Tony gelacht und seine von halbzerkauten Chips verklebten Zähne gezeigt hatte. »Das ist Ihr Mann auch. Wußten Sie das noch

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