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Die Spur der Füchse

Die Spur der Füchse

Titel: Die Spur der Füchse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Auseinandersetzung, aber keine so beiläufige und erniedrigende Abfuhr. Er setzte sich an einen Schreibtisch auf der gegenüberliegenden Seite des Redaktionsraumes, mit dem Rücken zum Redaktionstisch, starrte mit leerem Blick auf die Zeitung und grübelte über den Sinn und Zweck des Journalismus nach. Hatten die kleinkarierten Ewiggestrigen ihn solcher Vorfälle wegen gewarnt, zu einer der großen Londoner Zeitungen zu wechseln? Weil sie gewußt hatten, daß man den Journalismus hier auf eine solche Weise betrieb? Und hatten die hirnverbrannten Linken am College das gemeint, als sie ihm gesagt hatten, die Presse sei eine Hure? Weil die Wahrheit, wenn nicht verschwiegen, so doch verdreht wurde?
    Es ist ja nicht so, sagte sich Kevin, daß ich ein glühender Idealist bin. Ich versuche doch nur, das Recht der Presse zu verteidigen, Wahrheiten zu veröffentlichen, auch wenn sie weh tun, und ihr grundsätzliches Recht auf Sensationsmache.
    Und wie die besten Journalisten des Landes bin auch ich der Meinung, daß die Leser die Zeitungen bekommen, die sie verdient haben. Deshalb bin ich ja noch lange nicht durch und durch Zyniker …, jedenfalls noch nicht, Gott sei Dank. Ich glaube schlicht und einfach daran, daß wir unseren Job vor allem deshalb tun, um die Wahrheit aufzudecken und an die Öffentlichkeit zu bringen.
    Kevin fragte sich, ob er unter diesen Umständen Journalist bleiben wollte. Die Arbeit war ohnehin zu einem Großteil öde und langweilig. Höhepunkte, Erfolgserlebnisse, echte Zufriedenheit erlebte man nur hin und wieder: wenn irgend etwas genauso lief, wie man es sich vorgestellt hatte; oder wenn ein Artikel sich als Knüller erwies und der eigene Name unter der Schlagzeile stand; oder wenn eine Riesenstory über den Fernschreiber oder einen Ohrwurm hereinkam und man sich gleichzeitig mit sechs oder sieben Kollegen auf die Telefone stürzte und den Wettlauf mit den Konkurrenzblättern aufnahm.
    Genau so etwas geschah offenbar zur Zeit, bei diesem Überfall auf einen Geldtransport. Doch er, Kevin Hart, war mit seinem dämlichen Staatssekretär zum Zuschauen verurteilt. Neun Zehntel seiner Zeit verbringt ein Reporter mit Warten, ging es Kevin durch den Kopf, mit dem Warten auf Polizeibeamte, die aus Revieren kommen und sich vielleicht zu einem Statement bequemen; mit dem Warten darauf, daß Geschworene sich zu einer Entscheidung durchringen; mit dem Warten darauf, daß irgendwelche Berühmtheiten in der Stadt eintreffen; mit dem Warten auf eine Story, die irgend etwas hergibt.
    Anfangs war Kevin der festen Überzeugung gewesen, daß die Arbeit bei der Post ganz anders aussehen würde als der Job bei der Abendzeitung in Mittelengland, bei der er nach Abschluß des Studiums angefangen hatte. Zugegeben: Zu Beginn seiner Karriere, als Volontär, hatte es ihm noch Spaß gemacht, Interviews mit aufgeblasenen Stadträten aus der Provinz zu führen oder die übertriebenen Klagen von Sozialwohnungsmietern an die Öffentlichkeit zu bringen oder Artikel über die Theateraufführungen von Laienbühnen zu schreiben, über entlaufene Hunde zu berichten, über Kaninchenausstellungen und die samstäglichen Schlägereien in irgendeiner Kleinstadtkneipe. Hin und wieder hatte Kevin damals aber auch Storys geschrieben, auf die er ziemlich stolz gewesen war: eine Artikelserie über die Probleme der Stadt mit Einwanderern aus Übersee zum Beispiel, oder eine Reportage über die Verschwendung von Steuergeldern durch den Stadtrat, die einen ziemlichen Wirbel verursacht hatte, oder einen Bericht über die langatmigen und komplizierten Ermittlungen nach einer Bestechungsaffäre in einem Bauordnungsamt.
    Damals hatte Kevin damit gerechnet – voller Stolz und gespannter Erwartung –, daß der Wechsel zur Evening Post ihm die Möglichkeit bieten würde, wirklich wichtige Artikel auf landesweiter Ebene schreiben zu können und sich nie mehr mit dem nebensächlichen, provinziellen Kram herumschlagen zu müssen. Statt dessen mußte er die Feststellung machen, daß alle bedeutsamen und wichtigen Themen – Politik, Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft, Bildung, Kunst – in den Händen von Fachjournalisten lagen, und daß der Weg bis zum Schreibtisch eines solchen Spezialisten lang und steinig war, auch für intelligente, begabte Reporter wie Kevin Hart.
    Er brauchte endlich die Chance, zeigen zu können, was er zu leisten vermochte – die Chance, sich profilieren zu können –, damit die Verantwortlichen der Post auf ihn aufmerksam

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