Die Spur der Füchse
Niemand sagte ein Wort, als sie aus dem Wagen stiegen und über den Parkplatz zur Eingangstür gingen. Sie kamen an einem Rettungssanitäter vorbei, der an einem großen RAUCHEN GEFÄHRDET IHRE GESUNDHEIT-Aufkleber an der Tür seines Ambulanzwagens lehnte und Pfeife rauchte.
Sie gelangten aus der brütenden Hitze auf dem Parkplatz ins kühle Innere des Krankenhauses. Als Doreen der vertraute antiseptische Geruch in die Nase stieg, breitete sich ein übelkeitserregender Druck in ihrem Magen aus. In der Mitte des Eingangsraumes befand sich der Empfang. Reihum an den Wänden standen häßliche grüne Plastikstühle. Doreen sah einen kleinen Jungen mit einer Schnittwunde an der Hand auf einem der Stühle, daneben saß ein junger Mann, der den rechten Arm in einer behelfsmäßigen Schlinge trug, und neben ihm ein Mädchen, den Kopf auf die Arme gelegt. Irgendwo in der Nähe stöhnte eine Frau. In Doreen stieg Panik auf.
Die Schwester am Empfangspult, eine Schwarze, telefo
nierte gerade. Die drei Besucher warteten, bis die Schwester den Hörer aufgelegt hatte. Doreen fragte: »Ist heute morgen ein William Johnson bei Ihnen eingeliefert worden?«
Die Schwester schaute Doreen nicht einmal an. »Kleinen Moment, bitte.« Sie kritzelte irgend etwas auf einen Notizblock, dann hob sie den Blick, als draußen ein Notarztwagen vorfuhr. »Würden Sie bitte Platz nehmen?« sagte die Schwester, umrundete das Pult und ging an Doreen, Jacko und Billy vorbei zur Eingangstür.
Jacko wollte sich auf einen der Stühle setzen, doch Doreen hielt ihn am Ärmel fest. »Sie bleiben!« befahl sie. »Ich werde hier nicht stundenlang warten! Ich bleibe hier so lange stehen, bis die Schwester mir sagt, was mit Willie ist.«
Dann schauten sie zu, wie eine Bahre hereingetragen wurde. Die Gestalt, die bäuchlings darauf lag, war in eine blutdurchtränkte Decke gewickelt. Die Krankenschwester begleitete die Träger bis zu einer doppelflügeligen Schwingtür.
Aus einer anderen Tür kam die massige Gestalt einer Schwester in weißer Uniform. Doreen stürzte zu ihr. »Warum sagt mir keiner, ob mein Mann hier ist?«
Die Schwester blieb stehen und musterte die drei Besu
cher von oben bis unten. Die schwarzhäutige Schwester gesellte sich zu ihrer Kollegin.
Doreen zeigte auf die Farbige. »Die da habe ich schon gefragt, aber sie sagt nichts.«
Die weiße Schwester fragte die schwarze: »Warum haben Sie sich nicht um diese Herrschaften gekümmert, Schwester?«
Die Schwarze blickte Doreen an. »Weil ich der Meinung war, das Unfallopfer mit den gebrochenen Beinen, Armen, Rippen und schweren inneren Verletzungen sieht noch ein bißchen schlechter aus als diese Dame hier.«
»Sie haben richtig gehandelt. Aber das ist noch lange kein Grund für Witzeleien.« Die dicke Schwester wandte sich Doreen zu. »Wie heißt Ihr Mann?«
»William Johnson.«
Die Schwester schaute in einem Anmeldebuch nach. »Der Name steht nicht auf der Liste.«
Sie hielt inne. »Moment mal. Wir haben einen bislang noch nicht identifizierten Patienten. Männlich, weiß, mittleres Gewicht, mittlere Größe, mittleres Alter, schwere Schrotschußwunden am Kopf.«
»Das ist er«, sagte Jacko.
Doreen rief: »Oh, mein Gott!«
Die Schwester nahm den Hörer ab. »Am besten, Sie schauen sich den Patienten mal an, um festzustellen, ob es sich um Ihren Mann handelt.« Sie wählte eine einstellige Nummer und wartete, daß jemand den Hörer abnahm. »Ah, Doktor, Sie sind’s. Hier Schwester Rowe von der Notaufnahme. Ich habe hier eine Dame, die möglicherweise die Frau des Schrotschuß-Patienten ist. Ja. Ich werde … ja, gut, wir warten auf Sie.« Sie legte auf und sagte: »Bitte folgen Sie mir.«
Doreen kämpfte ihre Verzweiflung nieder, als sie, Jacko und Billy hinter der Schwester über den Linoleumfußboden der Krankenhausflure trotteten. Vor einer solchen Situation hatte Doreen sich seit jenem Tag vor fünfzehn oder mehr Jahren gefürchtet, als sie entdeckte, daß sie einen Ganoven geheiratet hatte. Einen dahingehenden Verdacht hatte sie schon immer gehegt. Willie hatte sich ihr als ›Geschäftsmann‹ vorgestellt, und Doreen hatte erst gar keine Fragen gestellt, in welcher Branche er denn tätig sei. Zur damaligen Zeit mußte ein Mädchen, das sich einen Mann angeln wollte, Zurückhaltung üben. Doch in der Ehe kann man Geheimnisse nicht so leicht bewahren. Eines Tages – der kleine Billy hatte noch in den Windeln gelegen – klopfte jemand an die Tür, und als Willie aus dem
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