Die Spur der Hebamme
Herrn Christian«, rief eine Männerstimme. »Der junge Herr Konrad soll unverzüglich zu ihm kommen.«
b»Wer da?«, fragte Marthe durch die Tür. Es war tief in der Nacht, im Dorf waren Einbrecher unterwegs – und fast alle Männer aus ihrem Haushalt ebenso.
»Friedrich, Bergmeister Hermanns Stallknecht«, bekam sie zur Antwort. Jetzt erkannte sie die Stimme. Aber vielleicht stand hinter ihm jemand mit einem Dolch und zwang ihn, das zu sagen, um ungehindert in ihr Haus eindringen zu können?
»Warte«, rief sie und hastete nach oben, um an Konrads Tür zu klopfen und den Knappen zu wecken. Der junge Markgraf war im Nu hellwach. Schnell kleidete er sich an, steckte seinen Dolch in den Gürtel und griff nach dem Schwert.
Mit blanker Klinge stand er neben Marthe, während sie vorsichtig die Tür einen Spalt öffnete. Als sie erkannte, dass dort wirklich nur Hermanns Stallknecht stand, atmete sie erleichtert auf und ließ ihn herein.
»Ich vermute schon überall Böses«, versuchte sie sich zu entschuldigen.
»Es ist besser, vorsichtig zu sein. Besonders in einer Nacht wie dieser«, meinte Konrad. Er war zwar enttäuscht gewesen, dass Christian ihn nicht zu dem Kampf mitgenommen hatte, aber dass er nun gerufen wurde, stimmte ihn zufrieden. Wer konnte wissen, welche Abenteuer in dieser Nacht noch auf ihn warteten?
Nachdem Herwarts Leute im Haus des Bergmeisters eingetroffen waren, um auf die Gefangenen aufzupassen, forderte Christian Lukas und Konrad auf, ihn zu Randolfs Haus zu begleiten. Dort angekommen, trommelte er das erschrockene Gesindewach und befahl den verängstigten Mägden, ihren Herrn zu wecken.
In denkbar schlechter Laune kam Randolf die Treppe herab. Doch als er sah, wer da auf ihn wartete, konnte er sein Erstaunen kaum verbergen. Die Magd hatte nicht gewagt zu sagen, wer ihn mit einer so dringenden Botschaft zu sprechen wünschte.
»Welch ungewohnter Besuch zu ungewohnter Zeit«, höhnte der weißblonde Hüne. »Was verschafft mir die Ehre?«
Was Randolf im Heiligen Land an Gewicht eingebüßt hatte, war längst wieder aufgeholt; im Gegenteil, mittlerweile war bei ihm ein Ansatz von Fettleibigkeit nicht zu übersehen. Das machte seine Erscheinung nur noch massiger und bedrohlicher.
»Es gab einen Überfall. Schick ein paar deiner Männer zum Haus des Bergmeisters. Dort warten vier gutverschnürte Gesetzlose auf sie«, berichtete Christian knapp, ohne auf den bissigen Spott seines Rivalen einzugehen.
Christian und Lukas verfolgten ungerührt, wie Randolf mit Flüchen und Fußtritten mehrere Männer aus dem Schlaf riss, die sich auf dem Boden der Halle ihr Nachtlager eingerichtet hatten. Konrad stand hinter ihnen und beobachtete alles.
Als die drei Besucher keine Anstalten machten, seinen Leuten zum Haus des Bergmeisters zu folgen, starrte Randolf sie verblüfft an. Erwarteten sie etwa, zum Dank von ihm mit einem Nachtmahl bewirtet zu werden?
»Es gibt noch mehr Neuigkeiten«, beantwortete Christian die ungestellte Frage. »Können wir das irgendwo ungestört besprechen?«
Vor Verblüffung sprachlos, bedeutete Randolf seinen unerwarteten Gästen, ihm zu folgen.
Während ansonsten vieles im Haus noch unfertig wirkte, wardie Kemenate bereits fertig und geradezu verschwenderisch eingerichtet. Den Blickfang bildete ein großes Bett, dessen schwere Vorhänge zugezogen waren und nicht verrieten, ob die Dame des Hauses dahinter schlief oder wachte. Die Wände waren mit gestickten Behängen verziert, die Binsen auf dem Fußboden in einer dicken Schicht ausgelegt, so dass es bei jedem Schritt knisterte. Mehrere große Truhen standen an den Seiten, auf hölzernen Stangen hingen Randolfs Kettenpanzer, ein schwerer Pelz und ein besticktes, mit Pelzwerk verbrämtes Gewand, das Richenza gehörte.
Randolf führte seine Besucher zu Tisch und Bänken unter dem einzigen Fenster im Raum. Für einen winzigen Moment fühlte er sich so verunsichert, dass er sogar überlegte, ob er dem verhassten Feind und dem Sohn dieses widerlichen Markgrafen Dietrich einen Becher Wein anbieten sollte. Er hatte nicht vergessen, dass Dietrich ihn vor Jahren von seinem Stammsitz weggelockt hatte und just an diesem Tag während seiner Abwesenheit Christian auf unerklärliche Weise aus seinem Kerker verschwand. Bei seiner Heimkehr hatte er nur ein paar niedergestochene Wachen vorgefunden.
Doch schnell verwarf er den Gedanken an einen Willkommenstrunk.
»Ich höre«, knurrte er mit halb zugekniffenen Augen.
»Es gefällt
Weitere Kostenlose Bücher