Die Spur der Hebamme
»Du könntest auch deine guten Beziehungen zum Löwen nutzen. Schließlich warst du die ganze Zeit im Heiligen Land an seiner Seite. Ist da auf Dankwarderode nicht dieser mächtige Ministeriale, der noch eine ganz bestimmte Rechnung mit jemandem hier offen hat? Der Thüringer braucht Geld, seine Kassen werden nach dem Bau des prächtigen Palas’ leer sein. Er ist bestimmt bereit, sich einen Gefangenen für eine gute Summe abkaufen zu lassen. Und dann stell dir vor: Christian im Kerker eines Mannes, der nichts als Rache will.«
Richenza lächelte ihn verführerisch an, und Randolf war einmal mehr fasziniert von der Schläue und Skrupellosigkeit, mit der seine Frau Ränke schmiedete. Darin war sie ihm eindeutig überlegen. Manchmal wurde sie ihm deshalb sogar etwas unheimlich. Er selbst setzte eher auf Gewalt und seine ungeheure Körperkraft als auf sorgfältig geplante Intrigen.
Doch die Vorstellung, wie Christian vom Truchsess Herzog Heinrichs langsam und Stück für Stück zu Tode gemartert wurde, ohne dass sonst jemand ahnte, wo er war und dass er überhaupt noch lebte, erregte ihn aufs äußerste.
Richenza musste seine Gedanken erraten haben. Sie lächelte.
»Du kannst doch einen deiner Freunde um diesen Gefallen bitten«, entkräftete sie seine letzten Bedenken. »Frag Ekkehart! Der übernimmt das bestimmt gern.«
Dann schob sie die Decke beiseite und spreizte aufreizend langsam die Beine. Begierig warf sich Randolf auf sie.
Die Entscheidung des Markgrafen
Erleichtert, dass der Kampf unblutig verlaufen war, und nachträglich erschrocken über die Gefahr, in die Bertha geraten war, setzte sich Marthe wieder in die Halle, nachdem Konrad mit Hermanns Stallknecht gegangen war.
Je weiter die flackernde Kerze vor ihr herunterbrannte, umso härter ging sie mit sich ins Gericht.
Jedes Mal, wenn die Männer in den Kampf zogen, blieb ihr nichts weiter, als zu warten. Dabei konnte sich hundert Schritte von hier wer weiß was ereignen! Und das Einzige, was sie hätte tun können – all ihre Sinne darauf zu konzentrieren, Verborgenes zu erkennen, das ihnen nützlich sein konnte –, blieb ihr verwehrt. Ausgerechnet jetzt vermochte sie diese Fähigkeit nicht mehr zu nutzen. Die ständige Überwachung durch Pater Sebastian und die unheilvolle Drohung eines neuen Prozesses, die über ihr hing, zermürbten sie.
Die Ankunft von Kuno und Bertram riss sie aus ihren Gedanken. Die beiden Siebzehnjährigen ließen keine Spur von Müdigkeit erkennen, so aufgekratzt waren sie wegen ihres erfolgreichen Einsatzes.
»Wo sind Christian, Lukas und Konrad?«, fiel sie ihnen ins Wort.
Die beiden Burschen verstummten zeitgleich und wechselten einen unsicheren Blick.
»Beim Burgvogt«, erklärte Kuno schließlich nach einigem Zögern und strich sich verlegen durch das rote Haar.
Marthe zuckte zusammen. Sie zwang sich, äußerlich ruhig zu bleiben, und ließ sich berichten, was geschehen war. Dann schickte sie die Burschen schlafen und setzte sich wieder allein in die Halle.
Es wäre sicher klüger, die kurze Zeit bis zum Morgengrauen zu nutzen, um ein wenig zu schlafen. Aber sie musste den kostbaren Moment des Alleinseins nutzen, um nachzudenken.
Wenn die Gesetzlosen die Wahrheit gesagt hatten, würde bald ein Heer zu allem entschlossener Kämpfer das Dorf angreifen.
Die Schonzeit für sie war vorbei.
Es herrschte immer noch stockfinstere Nacht, als Christian, Lukas und Konrad von Randolf zurückkehrten.
Christian war nicht besonders überrascht, seine Frau noch vollständig angekleidet und wach in der Halle anzutreffen, sondern er wunderte sich lediglich, warum sie ihn erst einen Moment zögernd, beinahe fragend ansah, bevor sie zu ihm ging und ihre Arme um seinen Hals legte.
Wortlos führte er sie in ihre Kammer. Dort erzählte er in wenigen Worten, was sie noch nicht wissen konnte.
Er zog sie an sich, um sie zu beruhigen, und erlebte überrascht, dass sie seine Zärtlichkeit mit herausfordernder, stürmischer Leidenschaft erwiderte.
Ihr letzter Gedanke, bevor sie kurz vor dem Morgengrauen doch noch einschlief, war: Sollen sie kommen! Wir sind bereit.Am nächsten Morgen ließ Randolf die Dorfbewohner zusammenrufen, um der Hinrichtung eines auf frischer Tat ertappten Einbrechers beizuwohnen.
Heftiger Wind fegte über den Platz und wirbelte feine Sandkörnchen auf. Er bauschte die Röcke der Frauen, ließ Haare und Haubenbänder flattern, und wer aus den schützenden Häusern trat, stemmte sich gegen den Wind und
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