Die Spur der Hebamme
seinen Mägden auf«, berichtete Marthe. »Leg dir einen neuen Namen zu und lass dein Haar immer vollständig bedeckt. Dann wird dich niemand finden. Aber wir dürfen uns nicht vor aller Augen treffen«, warnte sie. »Ekkehart ist auch hier und wird mich nicht unbeobachtet lassen.«
Johanna nickte ernst. Ihr genügte es, zu wissen, dass jemand Randolfs Freund war, um ihn zu fürchten.
»Du kannst auch nicht zurück«, stellte Lukas mit Blick auf Kuno fest. »Randolf wird sich schnell ausrechnen, dass du mit ihrer Befreiung zu tun hast, wenn du heute nicht aufzufinden bist.«
»Oh, da haben wir vorgesorgt«, versicherte Kuno. »Ich muss zurück, ich kann die anderen nicht im Stich lassen.«
Lukas und Marthe tauschten einen Blick. Ihnen war nicht wohl dabei, den Jungen zurück ins Dorf zu schicken, wo Randolf vielleicht gerade nach Herzenslust wütete.
»Jetzt schlaf dich erst einmal aus«, meinte Lukas. Er winkte einen Stallknecht heran, der in respektvollem Abstand zu ihnen herumgewirtschaftet hatte, weit genug weg, um nichts zu hören, und warf ihm eine Münze zu. »Hol uns einen Eimer Wasser, und dann lass meinen Boten hier bis zum Mittag in Ruhe schlafen.«
Eilfertig bedankte sich der Bursche und ging Wasser holen.
Marthe hatte aus der Küche bereits einen Korb mit Brot, kaltem Fleisch und Bier mitgebracht.
Kuno und Johanna wuschen sich den Staub aus den Gesichtern und tranken etwas, aber zum Essen waren sie beide zu erschöpft und zu aufgewühlt.
»Du musst jetzt in die Küche«, sagte Marthe leise zu ihrer Stieftochter. Sie beschrieb ihr den Weg und auch den zu ihrer Kammer, sollte Johanna ihren Schutz brauchen. »Sonst lass mir über den Küchenmeister Nachricht zukommen.«
Nach einem scheuen und zugleich dankbaren Blick zu Kuno begab sich Johanna auf den Weg.
Kuno hingegen rollte sich auf einem Strohhaufen in der Stallecke zusammen und schlief sofort ein.
Schweigend sahen Marthe und Lukas sich an. Neben ihnen begann ein Schecke unruhig zu stampfen. Wo Sonnenstrahlen durch die Fensterluken drangen, tanzten unzählige Staubteilchen im Licht.
»Wenn Randolf das wagt, dann weiß er etwas über Christian. Er muss sich sicher sein, dass er nicht zurückkommt«, sprach Marthe schließlich das aus, was sie beide dachten.
»Was fühlst du?«
»Dass er lebt.«
»Vielleicht hält ihn der Landgraf gefangen. Ich reite hin und versuche, ihn zu finden.«
»Das schaffst du nie und nimmer in einer Woche!«
»Dann versuche du, beim Markgrafen Zeit zu gewinnen.«
»Die wird er mir nur unter einer Bedingung gewähren«, sagte Marthe und biss sich auf die Lippe.
»Ich weiß«, meinte Lukas bitter. »Indem du ihm die Entscheidung ersparst, entweder öffentlich gegen Christians letztenWillen zu verstoßen oder seine Zusage an Ekkehart zurückziehen zu müssen.«
Er sah sie bekümmert an und holte tief Luft. »Es besteht sowieso keine Aussicht, dass Otto sich für mich entscheidet. Er glaubt, es gibt Ruhe im Dorf, wenn er Ekkehart auf Christians Platz stellt.«
»Das wäre meine Bedingung … an Ekkehart.«
»Willst du wirklich mit so großem Einsatz spielen?«
»Christian hätte es so gewollt.«
Entsetzt starrte Lukas sie an. »Nie und nimmer! Christian hätte gewollt, dass du glücklich bist!«
»Er ist mit den Siedlern in den Dunklen Wald gezogen, damit sie hier ein besseres, freies Leben führen«, widersprach Marthe. »Wenn Randolf jetzt allein über das Dorf herrscht, war alles vergebens, was er getan hat.«
Sie richtete ihren Blick ins Leere, starrte auf einen unbestimmten Punkt im staubigen Gebälk des Stalls. »Ich wollte nie Macht haben, wollte nie wirklich annehmen, auf welchen Platz mich Gott gestellt hat … Das war falsch und feige. Wenn ich Ekkehart heirate, kann ich fordern, dass er Randolf im Zaum hält. Das wird meine Sühne.«
»Und mir traust du nicht zu, dass ich das schaffe?«, sagte Lukas bitter.
Sie sah ihm direkt in die Augen. »Doch, ich vertraue dir. Deshalb bitte ich dich ja, ihn zu suchen. Wenn er noch lebt, wirst du ihn finden.«
Gemeinsam gingen sie in den Palas, um beim Markgrafen vorzusprechen. Doch Otto war beschäftigt. Also baten sie darum, von Hedwig empfangen zu werden.
Die Markgräfin sah sie mitleidig an. »Wenn es um die Hochzeit geht – Ihr werdet ihn nicht umstimmen können.«
»Wir wissen, dass er sich bereits für Ekkehart entschieden hat«, sagte Marthe.
Hedwig nickte zustimmend. »Ekkehart scheint Euch sehr zu verehren«, sagte sie taktvoll.
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