Die Spur der Hebamme
»Vielleicht ist er keine so schlechte Wahl, wie es Euch im Moment scheinen mag.«
Lukas entging nicht die Bitterkeit, die sich auf Marthes Gesicht zeigte. Was war da vorgefallen in der Zeit, als Ekkehart sie bei sich versteckt hielt?, dachte er beunruhigt.
»Es tut mir leid für Euch«, sagte Hedwig, an Lukas gewandt. »Mit der Entscheidung, Euch von Braut und Erbe zu trennen, habt Ihr Euch zu sehr geschadet, als dass mein Gemahl jetzt ein so wichtiges Lehen wie Christiansdorf an Euch vergeben würde. Meine Fürsprache – und Ihr hättet sie, ich schwöre es – würde ganz und gar nichts nutzen.«
»Wir wollen dem Markgrafen eine gütliche Einigung vorschlagen«, sagte Lukas, auch wenn ihn diese Worte hart ankamen. Er würde nicht nur freiwillig auf Marthe verzichten, sondern sie auch an Christians Todfeinde ausliefern, sollte er keinen Erfolg haben.
Überrascht zog Hedwig die Augenbrauen hoch. »Ich bin sicher, er wird gespannt sein, dies zu hören.«
Marthe und Lukas folgten Hedwig in den Palas. Dort war Otto in eine Besprechung vertieft, an der auch Ekkehart teilnahm. Hedwig berührte ihren Mann leicht an der Schulter und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der hörte mit sichtlich Verblüffung zu.
Dann befahl er allen außer Ekkehart, Lukas und Marthe, sich zu entfernen.
Beunruhigt sah Ekkehart zu seinem Rivalen. Du nimmst sie mir nicht weg, du nicht, dachte er wütend. Und wenn ich dich abstechen muss wie einen verlausten Dieb.
»Ihr seid also einverstanden damit, den edlen Ekkehart zu heiraten«, verkündete Otto zu dessen unendlicher Verblüffung und Freude.
»Sofern Ihr Ritter Lukas zwei Monate Zeit gewährt, um nach Christian zu suchen«, sagte Marthe so fest sie konnte. »Sollten er und Christian bis dahin nicht zurück sein, werde ich der Hochzeit zustimmen.«
Dabei zitterte ihre Stimme doch. Sie hoffte inständig, dass zwei Monate reichen würden.
»Ich gewähre Euch vierzig Tage Aufschub, keinen Tag länger«, verkündete der Markgraf.
Sie sah verzweifelt zu Lukas. Nur vierzig Tage! Aber er nickte ihr zu. Vielleicht konnte sie so mit mehr Erfolg ihre zweite Bedingung aushandeln.
»Dafür erbitte ich von meinem künftigen Gemahl auch ein Versprechen.«
Otto wirkte verblüfft. Mit einem Kopfnicken erlaubte er ihr weiterzusprechen.
»Wenn Ihr mir schwört, die Leute in meinem Dorf gegen jegliche« – sie betonte dieses Wort besonders und sah Ekkehart dabei fordernd in die Augen – »gegen jegliche Willkür zu schützen, verspreche ich, nach Ablauf der Frist Eure Gemahlin zu werden. Ohne Ausflüchte.«
»Seid Ihr einverstanden, Ekkehart?«, erkundigte sich Otto.
Randolfs Freund stimmte ohne Zögern zu. Da er der Erfüllung seiner Wünsche schon so nah gewesen war, würde es ihm weiß Gott schwerfallen, auch nur einen Tag länger zu warten. Und er war in Sorge, was Richenza inzwischen noch an Komplikationen heraufbeschwören konnte. Doch in vierzig Tagen würde Marthe unweigerlich ihm gehören. Denn dass Christian nie wieder zurückkam, dafür war gesorgt.
Randolfs Rache
Randolf schäumte vor Wut, als ihm seine Wachen am Morgen nach Johannas Verschwinden meldeten, dass ihre Suche im Dorf ergebnislos geblieben war. Was blieb ihnen auch groß zu tun, als ein paar Hütten zu durchstöbern und in der Kirche nachzuschauen, ob das Mädchen dort um Asyl nachgesucht hatte? Mit Pater Sebastian hätte man sicher reden können über ihre Auslieferung, aber das Dorf war viel zu groß, als dass sich dort nicht jemand hätte verstecken können, noch dazu im Dunkeln. Und die meisten Dorfbewohner waren keine Hörigen, mit denen sie nach Belieben umspringen durften, sondern angesehene Händler und Bergleute, die sich auf den Schutz des Markgrafen berufen konnten.
Diese Erklärungen trugen jedoch nicht im Geringsten dazu bei, Randolfs Ausbruch zu mildern.
»Und warum habt ihr Dummköpfe dann nicht den Rotschopf hergeschleppt?«, brüllte er seine Männer an. »Jede Wette, dass der damit zu tun hat. Ich werde es aus dem Bastard herausprügeln, bis er sich wünscht, nie geboren zu sein!«
»Er war nicht da«, verteidigte sich einer der Gescholtenen mit mürrischer Miene. »Sein Kumpan behauptet, der Bergmeister habe ihn zu den Mönchen geschickt, um …«
Randolfs Gesichtszüge liefen vor Wut puterrot an. »Nicht da?«, schrie er. »Und da kommt keiner von euch Tölpeln auf den Gedanken, dass er gerade das Mädchen wer weiß wohin schafft?! Weshalb bringt ihr dann nicht den anderen, damit ich
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