Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
Vom Netzwerk:
Gelehrte den Anblick, den Marthe bot: in Ketten, halb entblößt und zerschunden auf dem Boden kniend. Dann bekreuzigte er sich rasch und verneigte sich ehrerbietig vor den Geistlichen.
    »Ihr steht zu Eurer Anklage, dass dieses Weib ihren Ruf als Wehmutter und Heilerin missbraucht, um Teufelswerk zu vollbringen?«, fragte der Mann links des leeren Stuhles.
    »Selbstverständlich, Eminenz.«
    Der Fragesteller überging die schmeichelnde Anrede.
    »Und Ihr seid Euch bewusst, dass eine falsche Anklage Euch die Strafe eintragen würde, die über dieses Weib verhängt wird, wenn sich Euer Vorwurf bestätigt?«
    »Selbstverständlich. Ich habe die Heilkunst an der berühmten Universität Bologna studiert und kann behaupten, in diesen Dingen aufs beste bewandert zu sein. Wie Ihr vielleicht wisst, hat uns in Christiansdorf eine Masernepidemie heimgesucht. Jeder Gelehrte weiß, dass dagegen nur Beten und Aderlass helfen, damit die üblen Körpersäfte entweichen können. Doch diese anerkannten Methoden hat das Weib da abgelehnt und verhöhnt. Trotzdem haben schon für tot Erklärte überlebt, nachdem sie sie behandelt hat. Das lässt sich nur mit teuflischem Beistand erklären.«
    »Ich gebe auch zu bedenken, dass der Herr diese Seuche über das Dorf gebracht hat, um die Sünder zu strafen und dem gottlosen Treiben Einhalt zu gebieten. Aber sie hat versucht, Seinen Willen zu durchkreuzen«, schnarrte das Raubvogelgesicht.
    »Kann es nicht sein, dass ihre Heilmethoden vielleicht einfach besser waren?«, fragte eine zweifelnde Stimme von links.
    »Wo denkt Ihr hin?«, fuhr der Medicus auf. »Dieses Weib ist völlig unwissend in medizinischen Dingen. Das musste ichschon vor Jahren erleben. Ich sah sie den jungen Markgrafen mit Erdbeeren füttern. Dabei weiß jeder gebildete Mensch, dass rohes Obst ungesund ist. Und wenn überhaupt, dann sollten hohe Herren nur Obst essen, das auf Bäumen gedeiht, während alles, was am Boden wächst, bestenfalls für das einfache Volk geeignet ist. Sie hat mich mehrfach daran gehindert, dem zweiten Sohn des Markgrafen die von allen medizinischen Autoritäten anerkannten Heilmethoden gegen die Fallsucht zuteil werden zu lassen, wie Blutegel und das Blut eines Gehenkten. Stattdessen habe ich selbst gesehen und gehört, wie sie geheimnisvolle Sprüche gemurmelt hat.«
    »Er lügt! Gebete habe ich gesprochen, Gebete um Gottes Hilfe bei der Heilung des jungen Dietrich«, rief Marthe.
    »Die Hexe beschmutzt den Namen des Herrn, indem sie ihn ausspricht«, kreischte das Raubvogelgesicht.
    Wieder hob der Fragesteller Einhalt gebietend die Hand. »Keine voreilige Verurteilung. Die Angelegenheit ist zu schwerwiegend, um nicht gründlichst untersucht zu werden.«
    Er wandte sich erneut an den Medicus.
    »Wenn ich mich recht entsinne und wenn dies Ritter Christians Eheweib ist, dann habt Ihr einst Eure Position auf dem Burgberg durch diese Frau verloren, nicht wahr?«, fragte er zu Marthes Erstaunen.
    Der Medicus erbleichte. »Aber das ist viele Jahre her. Inzwischen habe ich längst eine neue angesehene Stellung.«
    »In Christiansdorf, wie ich hörte. Also dort, wo Ihr wieder in Konkurrenz zu diesem Weib arbeitet. Seid Ihr bereit zu schwören, dass Eure Anklage nicht durch Neid und Rachsucht verursacht ist? Jetzt ist Eure letzte Gelegenheit, die Klage zurückzunehmen. Dann werdet Ihr als Verleumder nur die Zunge verlieren.«
    Der Medicus warf sich zu Boden. »Ich schwöre, all mein Bemühenist lediglich darauf gerichtet, uns vor dem Einfluss des Bösen zu schützen. Warum sonst hätte ich ausgerechnet nach Christiansdorf ziehen sollen, wenn nicht dazu, um dieser gefährlichen Hexe das Handwerk zu legen?«
    Nun richtete der Fragesteller das Wort wieder an Marthe.
    »Der Ankläger ist ein angesehener, gelehrter Mann. Hast du Zeugen, die für die Ehrbarkeit und Frömmigkeit deines Tuns sprechen können? Keine Bauernweiber, deren Bälger du von der Krätze oder vom Rotz befreit hast, sondern Männer der Kirche und Menschen von edlem Geblüt?«
    »Pater Bartholomäus aus Christiansdorf, Markgraf Otto und Markgräfin Hedwig«, antwortete Marthe ohne Zögern.
    Andere Namen wollte sie nicht nennen, um niemanden in Schwierigkeiten zu bringen. Der Markgraf und seine Gemahlin waren wohl mächtig genug, damit ihre Meinungen von einem Kirchengericht akzeptiert wurden. Aber würden sie auch zu ihren Gunsten aussagen?
    »Ein neues teuflisches Ablenkungsmanöver«, mischte sich das Raubvogelgesicht ein. »Der Pater ist

Weitere Kostenlose Bücher