Die Spur der Hyäne: Thriller (German Edition)
ungewöhnlich, und einen Moment zögerte der Geist, ob er die Mail überhaupt öffnen sollte. Das konnte auch eine Falle sein. Organisationen wie das FBI klagten zwar manchmal, dass sie im technischen Bereich nicht mit ihren Gegnern mithalten konnten, aber in Wirklichkeit verfügten sie über weitaus größere Kapazitäten. Sie würden ihren Feinden immer eine Nasenlänge voraus sein. Es gehörte nur einfach zu ihrer Strategie, den Feind zu überzeugen, dass er ihnen überlegen war. So dass er sich in fataler Sicherheit wiegte und sich überschätzte.
Der Geist öffnete die Nachricht. Sie bestand aus dem Namen einer Person, einer Ortsangabe und der Nummer eines Bankkontos, auf das bei Liquidierung des Objekts weitere zwanzig Millionen eingehen würden. Der Mörder überlegte. Dieser Job bedeutete Recherchen. Sorgfältige Planung. Und vor allem würde dieser Auftrag gefährlich werden, denn in Kenia wurde ihm eigentlich schon der Boden unter den Füßen heiß.
Andererseits wollte der Geist schon gerne wissen, ob der Gipfel einer glanzvollen Karriere schon erreicht war oder ob der absolute Höhepunkt nicht doch noch ausstand.
Also schickte er seine kodierte Bestätigung und nahm den Auftrag an. Das Flugzeug nach Somalia musste warten. Und seine verfrühten Ruhestandspläne ebenso.
In der GCHQ, der britischen Abhörstation in Cheltenham, experimentierte ein Team von Technikern mit einem neu entwickelten Entschlüsselungsprogramm, das probabilistische Algorithmen zum Identifizieren, Isolieren und Sortieren scheinbar zufälliger, hochkomplexer Signalfolgen in elektronischen Daten benutzte. Nachdem sie drei Monate lang ergebnislos statisches Rauschen aufgenommen hatten, waren die meisten im Team zu dem Schluss gekommen, dass die neue Software einfach nur Müll war. Der einzige Grund, warum man sie noch nicht de-installiert und vernichtet hatte, war der, dass die attraktiven Arbeitsverträge der Techniker noch bis zum Monatsende liefen. Daher ließen sie es sich nicht nehmen, jede mögliche Variante sorgfältig bis ins letzte Detail zu prüfen, um sicherzugehen, dass ihre Verträge nicht vorzeitig beendet wurden.
Daher lauschten also zwei Mitglieder pflichtbewusst in den Äther, als die neue Software plötzlich ein Signal auffing. Wenig später registrierte sie ein zweites. Und fünfzig Sekunden später ein drittes. Zur Überraschung – und Freude – der Techniker war die Software tatsächlich in der Lage, die Botschaften zu entschlüsseln. Zumindest sah es so aus: Die dechiffrierten Nachrichten klangen für die beiden völlig sinnlos, aber andererseits fiel das ja auch nicht mehr in ihren Bereich.
Also schickte man die Botschaften ein Stockwerk höher zu den Analytikern der GCHQ. Wie es sich mittlerweile eingebürgert hatte, wurde die Information auch an ihre Kollegen auf der anderen Seite des Großen Teichs weitergeleitet – und so geschah es, dass ein Computer im CIA-Hauptquartier in Langley, Virginia, eine Wortkombination in den drei Funksignalen identifizieren konnte.
Nicht einmal eine Stunde, nachdem der Geist seine letzte Nachricht aus dem Souk in Gongoni geschickt hatte, landete eine transkribierte Version auf dem Tisch von FBI Special Agent Dean Hoffman im Hauptquartier des FBI in der Pennsylvania Avenue, Washington, D.C.
»Ach du liebe Scheiße«, fluchte Hoffman und griff zum Hörer.
Und in einer Entfernung von zwölftausend Kilometern, als der Geist Gongoni gerade verließ und sich wieder südwärts, nach Mombasa, aufmachte, begann das Handy von Special Agent Clarence Bryson zu klingeln.
42
A bdelbassir Hossain saß im Polizeipräsidium Mombasa und beschrieb noch einmal, wie er vor fünf Tagen zum Fort Jesus gegangen war und der unter dem Namen Dutch Alice bekannten Prostituierten vierhundert Shilling bezahlt hatte, damit sie ihm den Schwanz lutschte.
»Und bei der Gelegenheit haben Sie gesehen, wie das Opfer sich zu Tode stürzte?«, fragte Inspector Mugo freundlich, während er hinter dem marokkanischen Hafenarbeiter stand und ihm sanft die knochigen Schultern massierte.
»Aber das hab ich Ihnen doch schon gesagt – ich habe niemand fallen sehen«, protestierte Hossain. »Ich stand mit dem Gesicht in die andere Richtung. Die Nutte hat alles gesehen, als sie …«
»Als sie was, Abdelbassir?«
»Als sie … Sie wissen schon … als sie da unten zugange war.«
Durch ein schmutziges Metallgitter in der Tür des Vernehmungszimmers beobachtete Jouma das Gespräch mit wachsender
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