Die Spur der Hyäne: Thriller (German Edition)
wollen.«
»Ich möchte wissen, wer Leute in die Abwasserkanäle zerrt und dort unten umbringt.«
Early verzog keine Miene. »Warum fragen Sie mich das?«
»Weil Sie jeden Zentimeter der Kanalisation kennen, und jede Person, die da unten lebt. Und weil ich annehmen muss, dass Sie irgendwie in diese Morde verwickelt sind, wenn Sie sich weigern, es mir zu erzählen.«
Hinter seinen teuren Brillengläsern verdrehte Early Tumbai die Augen. »Warum soll eigentlich immer ich die Schuld sein, wenn in den Abwasserkanälen mal wieder eine Leiche gefunden wird? Beschuldige ich etwa jedes Mal Sie, wenn an der Oberfläche ein Toter auftaucht?«
Jouma starrte ihn an. Wo der Mann recht hatte, hatte er recht. Earlys Kanalratten verdankten ihren schlechten Ruf dem Wohnort, den sie sich gewählt hatten. Dabei hatten sich die meisten nur deshalb in den Untergrund zurückgezogen, weil sie sich ein Leben über der Erde nicht mehr leisten konnten. In den Abwasserkanälen musste man keine Miete zahlen, und außerdem wurden nicht nur Exkremente durch die Rohre gespült, sondern auch der eine oder andere brauchbare Gegenstand.
»Die Person, nach der ich suche, scheint irgendwann einmal Verbrennungen erlitten zu haben«, sagte er.
»Was für Verbrennungen?«
»Sehr schwere Verbrennungen«, erklärte Jouma. »Sein Gesicht ist zum Großteil zerstört.«
»Klingt ja gar nicht gut. Aber ich wüsste niemanden, auf den diese Beschreibung passt.«
»Die Person, nach der ich suche, versteckt sich auch in den Tunneln unter Fort Jesus.«
»Diese Tunnel sind seit Jahren nicht mehr benutzt worden«, bemerkte Early.
»Ich weiß.«
»Sind Sie sicher, dass Sie mir hier keinen dummen Streich spielen, Inspector Jouma? Ich hab’s nämlich gar nicht gern, wenn man mir dumme Streiche spielt.«
»Das ist kein dummer Streich, Mr.Tumbai«, erwiderte Jouma. »Das ist todernst.«
Early seufzte. »Na gut. Ich werde ein paar Nachforschungen anstellen. Aber ich kann Ihnen nichts versprechen, und ich erwarte, dass ich nicht verfolgt werde. Diese Nachforschungen werden meinen Geschäften schon genug schaden …« Er streckte mit einer erwartungsvollen Geste die Hand aus.
Jouma ergriff sie und schüttelte sie kräftig. »Ich lobe mir Ihren Gemeinschaftsgeist, Mr.Tumbai. Selbstverständlich werde ich meiner Vorgesetzten gegenüber erwähnen, wie hilfsbereit Sie sich gezeigt haben.«
Jouma verließ das Präsidium und ging zu seinem Fiat Panda, den er schlampig am Fahrbahnrand geparkt hatte. Early Tumbai zur Vernehmung vorzuladen, war durchaus berechtigt gewesen, aber er bezweifelte, dass er die Ermittlungen damit auch nur ein Jota voranbringen würde. Wenn der Rattenkönig etwas gewusst hätte, hätte er die Information gleich ausgespuckt, denn er wollte sich in erster Linie die Polizei vom Hals halten. Doch beim derzeitigen Stand der Dinge musste man jeder Möglichkeit nachgehen, denn der Schlüssel zu diesem Fall lag nun einmal darin, dass sie die Identität dieser Kreatur klärten.
Zumindest einen Lichtstrahl gab es an diesem finsteren Tag, dachte er. Trotz des Martyriums, das er heute hatte überstehen müssen, ging Jouma geradezu beschwingten Schrittes auf den Eingang des Kingorani-Gefängnisses zu.
Doch als er durch die schweren Stahltüren in den hell erleuchteten Betonhof trat, merkte er sofort, dass etwas nicht stimmte. Er sah es in den Gesichtern der Askari im Wachhäuschen, und im abgewandten Blick des Offiziers, der ihn ins Büro der Gefängnisleitung führte statt in den Sicherheitstrakt, in dem Abdelbassir Hossain saß.
»Inspector Jouma«, sagte der Gefängnisdirektor und schüttelte ihm die Hand. Der verhärmte Mann hatte dieses Szenario schon tausendmal durchgestanden und mittlerweile gelernt, sich innerlich davon zu distanzieren.
»Wann?«, fragte Jouma nur.
Der Direktor blickte auf den zweckmäßigen grauen Teppich zu seinen Füßen. »Er ist vor fünfzehn Minuten gefunden worden.«
»Wie ist es passiert?«, wollte Jouma wissen.
»Ich kann Ihnen versichern, Inspector, wir haben alle Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Aber es sieht so aus, als hätte er einfach …«
Jouma fühlte, wie jedes bisschen Energie aus ihm wich. »Wo ist er jetzt?«
»Immer noch in seiner Zelle. Der Gefängnisarzt untersucht ihn.«
»Bringen Sie mich hin.«
Er folgte dem Mann durchs Gebäude in den verrußten, stinkenden Zellentrakt.
»Ich habe extra angeordnet, dass er rund um die Uhr bewacht werden sollte«, erklärte Jouma.
Der Gefängnisdirektor
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