Die Spur der Kinder
schon zur Genüge gesehen hatte.
Karstens klatschte auf seine Oberschenkel. »Na gut, Herr Brommer, das wär’s dann fürs Erste. Sie könnendann gehen«, sagte er und folgte der pummeligen Asiatin.
»Ach, Herr Brommer, noch etwas«, Karstens trat noch einmal zurück in den Vernehmungsraum. »Gehen Sie eigentlich gerne in den Zoo?«
»In den Zoo?« Brommer runzelte die Stirn. »Hin und wieder. Ist allerdings schon ein paar Jährchen her, seit ich das letzte Mal da war. Warum?«
Statt einer Antwort nickte Karstens nur und verließ den Raum. Als er im Vorbeigehen auf den Monitor im Nebenzimmer blickte, wurde er Zeuge, wie Frauke Behrendt sich im Vernehmungsraum über den Tisch lehnte und den alten Mann mit einer schnellen Handbewegung am Kragen packte.
»Eins können Sie mir glauben: Im Knast wird Ihnen Ihr Anwalt auch nichts mehr nützen – denn da, lieber Herr Brommer, stehen Kinderschänder in der Hierarchie ganz weit unten!«, zischte sie und bemerkte zu spät, dass Karstens in der Tür stand und sie missbilligend anstarrte.
»Das Verhör ist beendet«, betonte er nachdrücklich, ohne den Blick von seiner Kollegin zu nehmen.
Widerwillig ließ Behrendt von Brommer ab, der schadenfroh in sich hineingrinsend sein Hemd glattstrich.
Karstens verschwand über den Flur, um das Telefonat anzunehmen, das Kikki zu ihm durchgestellt hatte.
»Es geht nicht um mich, jedenfalls nicht direkt«, hörteer Fiona Seeberg am anderen Ende der Leitung sagen. »Eher um eine, sagen wir entfernte Bekannte. Theresa Parloff.«
»Was ist passiert? Soll ich einen Krankenwagen schicken?«
»Ja, das heißt nein, ein Leichenwagen wäre wohl angebrachter«, meinte Fiona.
Karstens stutzte, und auch Fiona Seeberg schien die Bedeutung ihrer Worte erst gänzlich zu begreifen, als sie sie aussprach.
Keine zwanzig Minuten nach ihrem Anruf im Präsidium war Piet Karstens in Theresas Wohnung eingetroffen. Ebenso lange hatte Fiona ihm und seinen Kollegen von der Spurensicherung Rede und Antwort gestanden.
Nicht einmal halb so lange brauchte sie anschließend, um zu Hause wutentbrannt Adrians Sachen zu packen: Mit einem großen blauen Müllsack in der Hand nahm sie sich zunächst das Schlafzimmer vor. Getrieben von unendlicher Wut und tiefer Demütigung, leerte Fiona Adrians Kleiderschränke. Anschließend machte sie sich über das Badezimmer und sein Arbeitszimmer her. Beim Ausräumen des DVD -Regals fiel ihr ein Schreiben der Bank in die Hände. Fiona entnahm den Zeilen, dass Adrian vor wenigen Tagen eine Barabhebung über dreißigtausend Euro von seinem Girokonto getätigt hatte. Nachdenklich blickte Fionavon dem Schreiben auf und spürte erneut ein Stechen im Magen.
Dann waren die dreißigtausend Euro, die ich ihm überwiesen habe, wohl kaum für die neue Lüftungsanlage …
Mit mehr als nur einem mulmigen Gefühl im Bauch legte sie das Schreiben beiseite, knotete den Plastiksack mit Adrians Sachen zu und warf ihn verächtlich ins Treppenhaus.
Neugierig beäugte die alte Hubertus aus der benachbarten Wohnung ihr Tun.
»Was ist?«, fuhr Fiona die ältere Dame an, was ihr noch im gleichen Moment leidtat.
Entrüstet riss Marianne Hubertus die Augen auf. »Nichts«, sagte sie beleidigt. »Ist bei Ihnen denn alles in Ordnung?«
»Alles bestens«, konterte Fiona kühl und schloss, nein knallte die Wohnungstür von innen zu. Tief ausatmend lehnte sie sich mit dem Rücken dagegen. Sie zitterte noch immer, während sie ihr Telefon von der Kommode nahm und Adrians Nummer wählte. Sie wollte eine Erklärung – eine Erklärung aus Adrians Mund. Stattdessen musste sie sich jedoch mit einer automatischen Telefonansage zufriedengeben. The person you are calling is temporarily not available. Fiona zwang sich, aufzulegen, zwang sich, nicht wieder in Tränen auszubrechen, zwang sich, nicht zur Flasche zu greifen. Doch schon Momente später fand sie sich in der Küche wieder und stürzteden Kognak hinunter, den sie hinter den Putzmitteln gefunden hatte. Die alten Verstecke, die alten Laster – alle guten Vorsätze, alles dahin.
Umnebelt vom Alkohol und zu vielen Gedanken, taumelte sie ins Wohnzimmer und holte die Flasche Johnny Walker unter dem Kachelofen hervor. Da fiel es ihr plötzlich auf: Der Schlüssel, den sie neulich zurück unter den Ofen gelegt hatte – er war weg. Fiona kniete sich vor den Ofen und tastete mit den Fingerspitzen bis in die hinteren Ecken. Doch der Originalschlüssel zu Theresas Wohnung war verschwunden.
Mit leerem
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