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Die Spur der verlorenen Kinder

Die Spur der verlorenen Kinder

Titel: Die Spur der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.J. MacGregor
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weinte, durch das Gras, sie suchte nach dem Friedenszeichen. Sie klopfte auf den Boden, fuhr mit den Fingern durch das Gras. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie auf der Weide blieb, manchmal ging sie, meist rutschte sie auf Händen und Knien umher und suchte nach dem Friedenszeichen. Irgendwann konnte sie nicht mehr, sie sank zu Boden und rührte sich nicht. Sie sah Sterne im Osten aufgehen und lauschte dem Orchester der Insekten, ein zeitloses Lied – in ihrer wie auch in dieser Zeit.
    Annie war nicht tot, und sie würde nicht aufgeben oder kapitulieren; so viel spürte Mira. Aber sie konnte Annies Position nicht erfassen, sie konnte sie nicht orten. Eine Fähigkeit, die sie für gegeben gehalten hatte, seit sie alt genug war, sie zu verstehen, verursachte einen Kurzschluss, wenn sie versuchte, ihre Tochter zu finden. Was brachte dann so etwas? Nadine würde sagen, dass sie zu nah dran war, dass es nicht näher ging als Blutsverwandtschaft. Das stimmte vielleicht, aber es steckte noch mehr dahinter.
    Der Mann, der Annie entführt hatte, hatte geplant gehandelt, nicht spontan, und Mira wurde klar, dass ihre Unfähigkeit, ihre Tochter zu finden, irgendwie mit seiner Agenda zusammenhing.
    Die erste Andeutung, dass sie nicht alleine war, war das Licht. Es huschte, es tanzte, es flitzte über das hohe Gras, es landete hier und da, dann traf es sie. Sie spürte, wie es zwischen ihre Schulterblätter fiel und dachte: Oh Scheiße. Perversling. Vergewaltiger. Mörder.
    Ihre Finger gruben sich in das Gras, in die Erde, versuchten einen Klumpen zu lockern.
    »Ma’am?«
    Gott. Sie erkannte den breiten Südstaatenakzent.
    »Ma’am, alles in Ordnung?«
    »Hi, Sheriff Fontaine.«
    »Miss Piper. Geht es Ihnen gut?«
    »Ich habe mir den Fuß verstaucht«, log sie. »Ich habe bloß Pause gemacht.«
    »Aber was treiben Sie hier?«, fragte er und blieb neben ihr stehen, seine Taschenlampe brannte auf ihrem Gesicht.
    »Ich habe etwas verloren und suche danach.« Mira drehte den Kopf nach links, aus dem Licht, und hob die Hände. »Könnten Sie die ausschalten oder wegdrehen oder so?«
    »Oh, natürlich. Tut mir leid.« Er leuchtete beiseite, schaltete die Taschenlampe aber nicht aus. »Was haben Sie verloren?«
    »Ein Schmuckstück. Ich werde es im Dunkeln nie finden. Ich muss morgen wiederkommen.«
    »Kann ich Ihnen aufhelfen, Ma’am?«
    »Danke, geht schon«, sagte sie und stemmte sich hoch, ohne Fontaines ausgestreckte Hand zu berühren. Sie fürchtete, was sie sähe, wenn sie es tat. Ihr war auch klar, dass sie besser nett und so ehrlich wie möglich wäre, damit er sie nicht auch noch nach ihrem Ausweis fragte.
    »Ich, äh, habe den Wagen gesehen und wollte gerade einen Strafzettel schreiben, als mir einfiel, dass ich ihn drüben beim Rum Runners gesehen hatte. Diese psychedelische Motorhaube vergisst man nicht so schnell. Er gehört dieser Sängerin, mit der Jake befreundet ist.«
    »Sie hat ihn mir geliehen, solange ich hier bin. Im Tausch für eine Lesung, die ich für sie gemacht habe.«
    »Eine Lesung? Was für eine Lesung?«
    »Eine, äh, übersinnliche Lesung.«
    »Ach so«, sagte er und nickte. »Ja, Jake hat gesagt, sie seien eine Wahrsagerin.«
    Wenn man Jakes Angst vor Drogenfahndern bedachte, dann fand Mira diese Information interessant. »Kennen Sie ihn?«
    »Sein Alter Herr war Polizist beim Tango PD, als Jake Teenager war. Manchmal frühstücke ich morgens im Rum Runners. Jake und ich unterhalten uns. Da trifft man schon ein paar lustige Leute«, setzte er mit einem Lachen hinzu. »Zum Beispiel diese Sängerin.«
    »Sie ist begabt.«
    »Das hängt wohl davon ab, wie man Begabung definiert.« Er zog ein Päckchen Zigaretten aus seiner Hemdtasche und bot Mira eine an. Als sie den Kopf schüttelte, zündete er sich eine an mit dem Genuss eines Mannes, der wirklich gern raucht. »Meine Frau will nicht, dass ich rauche. Also erlaube ich mir bloß fünf am Tag. Nicht schlecht, oder?«
    »Klingt vernünftig.« Entweder war er einsam, entschied sie, oder er wollte etwas.
    »Erzählen Sie mir vom Wahrsagen. Meine Frau glaubt an all das Zeug. Ich? Ich bin skeptisch. Wie soll das funktionieren? Legen Sie Karten? Lesen Sie aus der Hand? Teeblättern? Oder wie?«
    Oh Scheiße. Sie ließ ihn besser weiterreden, damit sie ihn nicht berühren musste. Aber vielleicht musste sie ihn auch berühren, um den Namen des Monsters in Erfahrung zu bringen. Fontaine gehörte immerhin zu den Hinweisen, ebenso wie Jake, Lydia und der

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