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Die Spur der verlorenen Kinder

Die Spur der verlorenen Kinder

Titel: Die Spur der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.J. MacGregor
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seinem schicken Cabrio herum, Mr Cool.
    Patrick schleicht vorsichtig wie ein Dieb in den Keller. Er nimmt die Heckenschere aus dem Werkzeugregal. Eine nagelneue Heckenschere. Die Klingen sind scharf und glänzen wie Spiegel. Er huscht lautlos auf die andere Seite des Hauses, durch die Dunkelheit, bis zu den beiden Palmen, an denen die Hängematte befestigt ist. Die Hängematte schwingt leicht, die Seile knarren, und durch das Netz erhascht er einen Blick auf die blasse Schönheit von Evies nackter Haut. Sie und Billy liegen nebeneinander, Evie stöhnt, Billy stöhnt.
    Patrick bewegt sich schnell auf die nächstgelegene Palme zu, hebt die Schere und durchschneidet das Seil. Das Ende der Hängematte fällt zu Boden, und sie stürzen mit, Evie kreischt, Billy schreit, beide sind verwickelt in das Netz der Hängematte. Patrick grinst, marschiert in aller Seelenruhe zum anderen Baum und durchschneidet auch dort das Seil.
    Sie rappeln sich auf, sie haben Mühe, sich aus dem Netz zu befreien. Patrick bleibt, wo er ist, er sieht zu, die Heckenschere glitzert im Mondlicht. Billy hat sich zuerst aus dem Netz befreit und schlingt sich dann einen Teil davon um die Hüfte, bedeckt sich.
    »Du verdammtes Arschloch«, ruft er. »Was zum Teufel machst du da?«
    »Ich warne dich, Bill. Das nächste Mal, wenn du herkommst …« Patrick lässt die Heckenschere vor Billys Gesicht zusammenschnappen, und der zuckt zurück. »… schneid ich dir den Schwanz ab.«
    Er wendet sich um und verschwindet in der Dunkelheit unterhalb des Hauses, sein Herz zerbricht.
    »Was möchten Sie bestellen, Sir?«
    Die Stimme. Sein Kopf zuckte nach oben. Sie war es. Eva. Sie stand da in der engen blauen Uniform, ein künstliches Lächeln im Gesicht, ihr dichtes blondes Haar zu einem festen Knoten geschlungen, der mit einem dünnen Netz bedeckt ist. Seine Gedanken schreien: Was tust du hier? Du hast hier nie gearbeitet. Ihr Anblick ließ ihn verstummen. Er starrte sie bloß an, sog ihre atemberaubende Schönheit in sich auf – die makellose, blasse Haut, die perfekte Rundung ihres Kiefers, und diese Augen, sanfte blauen Seen, in denen er sich für immer verlieren könnte. Er ist nie darauf gekommen, dass ihr Leben davon hätte abweichen können, wie sie es als Teenager gelebt hat. Jetzt wurde ihm klar, dass es noch viele Dinge gab, die er nicht über den Verlauf ihrer Zeit wusste – ihrer, seiner, aller.
    »Sir, möchten Sie etwas bestellen?«
    »Äh, ja, danke. Bloß ein Clubsandwich und Kaffee.«
    »Kein Problem«, sagte sie und begann, sich abzuwenden, blieb dann aber stehen. »Sie kommen mir so bekannt vor.«
    Bekannt. Im Prinzip sah er ziemlich genauso aus wie an dem Tag, an dem er das Boot reserviert hatte. Wie ein Professor. »Ich wollte gerade dasselbe sagen. Besuchen Sie die Universität von Miami?«
    Ihr leises, schüchternes Lachen bringt sein Blut zum brodeln. »Ich bin noch nicht auf der Uni. Ich habe erst vor ein paar Wochen die Schule abgeschlossen. Unterrichten Sie an der Universität von Miami?«
    Er nickte. »Wo werden Sie im Herbst hingehen?«
    »Vermutlich an die Boston-Universität. Meine Eltern arbeiten an der MIT in Cambridge, also will ich im Raum von Boston bleiben.«
    »Und was studieren Sie?«
    »Männer«, sagte sie mit einem Lachen, dann ging sie davon, um seine Bestellung zu holen.
    Männer. Ein Pflock in sein Herz.
    Er sah ihr nach, wie ihre Hüften sich wiegten, mit welcher Eleganz sie sich bewegte. Sie sah nicht schwanger aus, aber sie war jetzt zumindest zwei Monate schwanger mit seinem Kind. Egal, dass er als Erwachsener damit nichts zu tun hatte. Das Kind war trotzdem seines, ein Wunder, das er durch den Korridor geschenkt bekommen hatte.
    Sie kehrte mit einer Kaffeekanne zu ihm zurück, und während sie seine Tasse füllte, wurde ihm klar, dass er seine Strategie ein wenig ändern musste, aber es würde jetzt einfacher sein, nachdem sie ihn bereits als Erwachsenen kennengelernt hatte und glaubte, dass er ein Professor sei. Immerhin waren Akademiker vertrauenswürdig. Ihr eigener Vater und ihre Stiefmutter waren Akademiker.
    »Wann haben Sie hier angefangen?«, fragte er. »Ich glaube nicht, Sie hier schon einmal gesehen zu haben.«
    »Vor ein paar Wochen erst. Der Sommer war so langweilig.«
    Ein weiterer Pflock durchbohrte sein Herz. Wie konnte sie so etwas sagen, wenn sie und sein jüngeres Selbst so viel Zeit zusammen verbracht hatten?
    »Sind Sie sicher, dass wir einander nicht kennen?«
    »Absolut. Ich würde mich

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