Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Spur der verlorenen Kinder

Die Spur der verlorenen Kinder

Titel: Die Spur der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.J. MacGregor
Vom Netzwerk:
Mädchen gehen.
    Und das Benzin, vergiss nicht das Benzin. Für das Boot, für den Bus, für das Ende.
    Es war jetzt 01:17 Uhr. Noch fünf Stunden, bis die Sonne aufging. Er wollte lange vorher die Insel verlassen haben.
    Jetzt stand er in der Küche und sah sich langsam um, er machte im Geist Inventur. Er brauchte keine Teller, kein Besteck, keine Gläser. Aber er brauchte die Waffen, sein 30-06 Gewehr und die Beretta 9 mm. Er öffnete die Tür zur Vorratskammer und zog die Beretta hinter den Tellern hervor. Er ließ sie in eine Strandtasche fallen und zog dann den Kühlschrank von der Wand weg, holte das Gewehr hervor. Jedes Zimmer, dachte er, musste er noch einmal überprüfen.
    Als er ins Wohnzimmer gehen wollte, kam er an dem Sicherungskasten für den Schuppen vorbei, und ihm wurde klar, dass Annie seit vorgestern nichts zu essen bekommen hatte, dass der Strom immer noch ausgeschaltet war. Pech gehabt. In ein paar Stunden, dachte er, würde der Schuppen ihr sowieso wie das Paradies erscheinen.
    Er lief ins Wohnzimmer.

2
    Annie hatte sich stundenlang hin- und hergeworfen. Sie war hungrig, ihr war heiß, sie hatte Angst, sie war stinkwütend. Es war ihr gelungen, die Tür vom Besenschrank zu öffnen, sie hatte nun einen Mopp und einen Besen zur Verfügung, außerdem einen Eimer, den sie mit verschiedenen Reinigungsmitteln gefüllt hatte. Aber was brachte es? Peter war nicht in den Schuppen gekommen, und bis er das tat, hatte sie bloß nutzlose Werkzeuge, keine Waffen.
    Sie hatte bereits mit dem Besenstiel gegen die Fenster geschlagen, aber das Glas zerbrach einfach nicht. Es splitterte nicht einmal. Sie hatte den Wagen mit den Reinigungsmitteln gegen die Metalltür gerammt und sogar eine Delle zustande gebracht, aber sie hatte nichts gegen die vielen Schlösser ausrichten können. Sie versuchte, den Wagen hochzustemmen, um ihn durch eines der Fenster zu knallen, aber er war zu schwer.
    Sie konnte nicht einfach bloß hier sitzen und nichts tun. Früher oder später würde Peter herkommen, und sie musste darauf vorbereitet sein.
    Annie ging ins Bad. Ihre Augen hatten sich mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt, und sie erreichte das Badezimmer, ohne über etwas zu stolpern. Sie nahm ihr Handtuch vom Haken, dann ließ sie sich auf Hände und Knie hinunter und krabbelte hinüber zum Wäscheschrank, das Handtuch über die Schulter gelegt. Sie öffnete die Tür, breitete das Handtuch auf dem Boden aus und griff in den Schrank. Wie viele Fliesen waren es? Sie hatte sie nie gezählt. Aber jetzt zählte sie sie beim Herausnehmen, und legte sie dann auf das Handtuch. Drei pro Stapel, vier Stapel in der vordersten Reihe, vier Stapel in der zweiten, vier Stapel in der dritten. Sechsunddreißig Fliesen insgesamt. Sie faltete das Handtuch über die Fliesen, nahm die Ecken in eine Hand und hob ihr Frotteebündel an.
    Es war schwer.
    Sie kroch zurück zur Badezimmertür und zog das Frotteebündel hinter sich her. Vielleicht würde es funktionieren, vielleicht nicht, sie musste es auf jeden Fall probieren. Sie konnte einfach nicht mehr hier herumsitzen. Als sie die Tür erreichte, presste sie ihren Rücken an die Wand und erhob sich langsam. Das war die einzige Möglichkeit, wie sie in der Dunkelheit die richtige Position finden konnte. Sie schlang die Ecken des Handtuchs fest um ihre Hand und ging in das größere Zimmer.
    Jetzt: die Fenster. Es fiel kein Licht herein. Sie musste hinüber zum Fenster gehen, ihr Bündel abstellen und über das Glas tasten, sie musste die Topografie erfühlen. Als sie gefunden hatte, was sie für die Mitte der Scheibe hielt, den potenziell schwächsten Punkt, nahm sie das Bündel wieder auf und trat drei große Schritte zurück.
    Mutter, darf ich?
    Aber sicher, Mädchen, leg los.
    Sie schwang das Bündel weit zurück, holte aus wie ein Top-Baseballspieler, und die Fliesen donnerten gegen das unzerbrechliche Glas. Etwas zersplitterte. Aber nicht das Fenster.
    Annie ging auf die Knie, die zersplitterten Fliesen schepperten auf den Boden, und sie begann zu weinen. Sie hätte es erst einmal mit ein paar Fliesen probieren sollen, mal sehen, was passierte. Wie dumm, dumm, dumm konnte man sein? Sie stemmte sich hoch und ging zum Fenster, fuhr mit den Fingern darüber. Glatt wie ein Babypopo.
    Sie drückte ihre Nase an das Fenster, dieses Scheißglas, dieses Zeug aus ihrer Zeit, das er mitgebracht hatte. Ein Zeitdieb, das war Peter. Er konnte nur deswegen fünfunddreißig Jahre in der Vergangenheit

Weitere Kostenlose Bücher