Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Spur der verlorenen Kinder

Die Spur der verlorenen Kinder

Titel: Die Spur der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.J. MacGregor
Vom Netzwerk:
eine der Topfpflanzen und ließ sie auf die Ecke des Nachttisches krachen. Er zuckte zurück, starrte den Dreck auf dem Boden an, dann sah er zu ihr auf. Ihre Blicke verhakten sich, und in seinem sah sie Wahnsinn und Wut und noch etwas anderes, etwas Unaussprechliches. Das Schweigen erstreckte sich so angespannt, dass sie ihn atmen hören konnte.
    »Ich weiß nicht, warum du glaubst, anderen Menschen ihre Kinder stehlen zu müssen, Pete, aber ich will nicht mehr länger ein Teil davon sein.« Sie riss ihm den Umschlag aus der Hand. »Ich werde noch einmal nach diesem Kind sehen, um sicherzustellen, dass es geheilt ist, aber danach wirst du mein Schweigen nicht mehr kaufen können.«
    Sie ließ den Umschlag in ihre Tasche fallen und ging zur Tür.
    »Lydia«, sagte er. »Der Sheriff ist vorbeigekommen, direkt nachdem du gekommen bist. Ich hoffe, dein Wagen steht auf dem Gelände auf der anderen Straßenseite.«
    »Fontaine?« Sie sah sich um. »Was wollte er?«
    »Ich weiß nicht, warum er wirklich vorbeigekommen ist, aber er hat gesagt, es gäbe Gerüchte, dass ich mich mit einer schwarzen Frau eingelassen hätte. Das war allerdings nicht das Wort, das er benutzt hat.«
    Lydia lachte. »Schätzchen, für einen wie Fontaine ist man schon ein Nigger, wenn man schön braun gebrannt ist. Mehr wollte er nicht?«
    »Hat er gesagt.«
    Sie zuckte mit den Achseln. »Vielleicht weiß er was, vielleicht stochert er bloß rum. Auf jeden Fall ist er kein Nigger-Freund, Pete, ich und meine Leute meiden den Mann. Und wenn man bedenkt, was du hier treibst, solltest du es besser genauso halten.«
    »Du bist genauso schuldig wie ich, Lydia.«
    »Ich bin hier wegen der Kinder.«
    »Du bist hier, weil ich dich gut bezahle.«
    Ihr Blick brannte nicht bloß durch ihn hindurch, er stach bis in sein Innerstes und zwang ihn wegzusehen. Dann wandte sie sich ab und verließ das Zimmer, das Haus, den kranken Wahnsinn der Welt des weißen Mannes.

Zwölf
    Die Tango Key Bridge, eingeweiht 1985, überspannte zwanzig Kilometer Wasserfläche der Florida Bay und stellte damit eine ingenieurtechnische Meisterleistung dar, die Sheppards Fantasie jedes Mal begeisterte, wenn er über das verdammte Ding fuhr, in dreizehn Meter Höhe, ein Wirrwarr von Stahlseilen, Druckstreben und Stahl, gestützt an beiden Enden und in der Mitte von sechzig Zentimeter dicken Betonpfeilern. Es hatte sechs Jahre gedauert, sie zu erbauen, und einige Abschnitte waren anderswo zusammengesetzt und dann auf Lastkähnen hierher transportiert worden. Er empfand auf der Brücke nur dann eine Art Höhenangst, wenn es einen Stau gab, so wie seit einigen Augenblicken, und er in beide Richtungen ziemlich genau zehn Kilometer von Land entfernt festsaß.
    Er öffnete das Fenster und steckte den Kopf hinaus, um zu sehen, was der Auslöser war. Aber vor ihm standen zu viele Laster, ganz schön große Laster, dachte er und begann, sich zu fragen, wie viel Gewicht die Brücke halten konnte. Genau in diesem Augenblick könnten die Streben über ihm vielleicht überlastet sein, zerfasern, abreißen. Szenen von in sich zusammenbrechenden Brücken aus einem Dutzend Filme schossen ihm durch den Kopf, Wagen stürzten ins Wasser, Stahlseile schnellten durch die Luft, Betonbrocken und Stahlträger fielen herunter, Menschen schrien …
    Sheppard drückte die Fingerknöchel auf seine schmerzenden Augen. Der Verkehrsstau schien eine passende Metapher für seine Ermittlung zu sein. Bald waren vier Tage vergangen, und sie hatten noch keine einzige vernünftige Spur, wo Patrick Wheaton sich aufhalten könnte. Aber immerhin lebte Wheatons Exfrau immer noch hier und hatte sich bereit erklärt, mit ihnen zu sprechen. Sie und ihr neuer Mann bewohnten auf Key West eine Villa außerhalb des Ortes Key West, und wenn es endlich weiterginge, würde er sogar pünktlich dort sein.
    Nadine hatte vorgeschlagen, dass er mit seiner Katze und ein paar Sachen ins Gästezimmer zog, und die letzten beiden Nächte hatte er dort verbracht. Er hatte im Wohnzimmer einen Arbeitsplatz eingerichtet, wo er den zeitlichen Ablauf, Akten über Wheaton, das schwarze Wasser und die anderen Entführungen ausgebreitet hatte. Der Esszimmertisch sah jetzt aus wie eine riesige Falltafel, eine grafische Darstellung der jeweiligen Ermittlungen. Aber bislang führte alles nur zu einem gigantischen Fragezeichen.
    Von Anfang an hatte Sheppard nach einer Strategie hinter diesen Entführungen gesucht, nach etwas Fassbarem, das die Opfer miteinander

Weitere Kostenlose Bücher