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Die Spur der verlorenen Kinder

Die Spur der verlorenen Kinder

Titel: Die Spur der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.J. MacGregor
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hinausging, doch es gelang ihr nicht, Annie ausfindig zu machen.
    Sie nahm die Old Post Road, den langen Weg zurück zur Kolonie, und plötzlich wurde ihr klar, dass sie sich in der Nähe der Gegend befand, in der Nadine und ihr zweiter Ehemann David ein Ferienhaus besaßen. Mira hatte sie in den Sommerferien und an schulfreien Tagen oft besucht, und sie konnte sich noch daran erinnern, was es immer für ein Abenteuer gewesen war, mit dem Boot oder einem kleinen Flugzeug nach Tango zu kommen und es sich in Nadines Welt einzurichten.
    Ihre Mutter hatte Angst davor gehabt, dass sie in die Welt des Ungesehenen eintrat, und alles getan, um sie zu entmutigen. Als Mira eines Tages von der Schule nach Hause gekommen war und ihrer Mutter erzählt hatte, dass sie ihre Lehrerin aus der ersten Klasse nackt mit dem Football-Trainer beobachtet hatte, erteilte ihre Mutter ihr Hausarrest für die Lüge. In anderen Fällen war die Reaktion ihrer Mutter auf Miras Fähigkeiten gewesen, dass sie nicht über so etwas reden sollte, oder, schlimmer noch, dass sie es sich einbildete. Aber als Mira die Geschichte von ihrer Lehrerin und dem Football-Trainer Nadine erzählt hatte, hatte ihre Großmutter sofort verstanden, dass sie sich auf ihre Gabe bezog. Sie hatte es nicht tatsächlich gesehen. Und ihre Großmutter sagte, sie sollte sich darüber keine Sorgen machen, sie würde viele solche Dinge in ihrem Leben zu Gesicht bekommen.
    Als sie in die Straße einbog, die zum Haus führte, hörte Mira ein bekanntes Kreischen in der Luft, und als sie aufschaute, flog Dusty, der Sittich, auf sie zu. »Hey, wo hast du denn gesteckt?«. Mira hielt am Straßenrand und streckte einen Finger aus. »Spring rein.«
    Der Vogel landete auf Miras Finger und neigte den Kopf. »Miro«, sagte Dusty und berührte mit seinem Schnabel seitlich Miras Finger, streichelte ihn. »Hungrig.«
    Mira lachte. »Auf jeden Fall ist auf dich Verlass, das muss man zugeben.«
    Sie öffnete ihren Rucksack und zog ein Tütchen Sonnenblumenkerne hervor. Der Sittich wusste sofort, was es damit auf sich hatte, und half ihr, die Tüte aufzureißen. Er nahm einen Kern in den Schnabel, hopste auf Miras Rücksitz, und stand dort auf einem Bein, während er mit dem dem anderen Fuß den Kern umklammerte. »Wir machen gerade eine kleine Reise in die Vergangenheit.«
    »Hallo«, sagte der Vogel und knabberte an dem Kern.
    Mira ließ den Wagen an, und der Vogel blieb, wo er war, aß den Kern, dann noch einen. So wie ihr Leben normalerweise lief– zumindest bevor sie hier gelandet war – gab ihre unmittelbare Umgebung ihr oft Tipps, worauf sie achten sollte. Wenn sie die Hinweise annahm, lief meist alles besser. Entsprechend war das Auftauchen des Sittichs genauso bedeutsam wie ihre Bekanntschaft mit Jake, Lydia, Diego und Fontaine. Jake hatte ihr Geld geliehen und eine Unterkunft besorgt. Diego hatte es ihr erlaubt, nach der Genesung ihre Fähigkeiten zu testen. Bei Lydia war sie noch nicht sicher. Und Fontaine kannte das Monster, das Annie entführt hatte. Aber was hatte der Sittich zu bedeuten?
    In der Mythologie galten Vögel oft als Botschafter zwischen den Welten und Dimensionen. Ganz sicher war sie zwischen Welten unterwegs, und der Sittich war das Erste, was sie gesehen hatte, nachdem sie durch das Portal die Vergangenheit betreten hatte. Dusty hatte ihren eigenen Zustand gespiegelt, schien genauso verloren und verwirrt zu sein wie sie, und hatte sie bis zum Rum Runners begleitet, wo sie herausgefunden hatte, wo sie sich tatsächlich befand. So gesehen war der Sittich vielleicht eine Art Führer für sie in dieser Zeit.
    Auf einer tieferen Ebene konnte auch die Art des Wesens Hinweise geben. Sie wusste, dass Sittiche in der Wildnis Familienvögel waren. Beide Eltern fütterten und umsorgten die Jungen. Sie blieben oft das ganze Jahr über in ihren Nestern, und die Jungen kehrten sogar dorthin zurück, um selbst zu brüten. Familie und Eltern waren die Schlüsselwörter. Sie war wegen ihrer Tochter hier, sie suchte nach ihrer Tochter, und sie begab sich gerade in die Wohngegend ihrer Großmutter.
    Sittiche waren zudem laute Nachahmer mit kräftigen Schnäbeln. Kommunikation, dachte Mira. Vielleicht sollte Dustys Auftauchen jetzt sagen, dass sie mit Nadine sprechen sollte.
    Oder das war alles bloß Blödsinn, und sie griff nach Strohhalmen.
    Mira bog in Nadines Straße. Die Häuser, weitgehend in den Fünfzigern erbaut, ergaben eine ganze Palette von Pastelltönen des Art déco,

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