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Die Spur der verlorenen Kinder

Die Spur der verlorenen Kinder

Titel: Die Spur der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.J. MacGregor
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an. Die Ranken, die die Wände bedeckten, waren vom Boden aus gewachsen, sie wurzelten im porösen Beton und überwucherten das Dach des Gebäudes. Während Goot ihm Deckung gab, riss Sheppard die Ranken mit den Händen weg und legte ein Fenster frei, dessen Glas noch intakt war. Kein Licht drinnen. Davon abgesehen war das Glas so dreckig, dass man unmöglich hineinsehen konnte. Sie duckten sich unter das Fenster, und Sheppard riss noch mehr Ranken weg, er legte eine Tür mit drei rostigen Schlössern frei, die alle verschlossen waren.
    »FBI«, rief Sheppard und schlug mit der Faust gegen die Tür.
    »Ich habe das Gefühl, dass da seit Jahren schon keiner mehr drin war«, sagte Goot und berührte die Kette, um sie abzunehmen. Sie zerkrümelte in seinen Händen.
    Als Sheppard den Türknauf berührte, fiel er ab. Ein einzelner Schlag mit dem Griff seiner Pistole ließ den vorgelegten rostigen Riegel zerkrümeln. Die Tür gab nach, sie schwang nach innen, sie quietschte und stöhnte, bis sie schließlich einfach vom untersten Scharnier abfiel.
    Sheppard zog eine elektrische Laterne aus seinem Rucksack, schaltete sie ein und hob sie hoch, sodass er den ganzen Raum ausleuchten konnte. Es war ein großer Raum, mit Holzbalken an der Decke und Dachvorsprüngen an beiden Seiten. Eine kleine Küche befand sich an der von ihnen entfernten Seite, rechts gab es ein Badezimmer. Die Luft roch abgestanden und muffig. Der Raum war jedoch überraschend trocken und frei von Pflanzen und Insekten. Goot eilte in die Küche, und Sheppard ging ins Bad.
    Die alte Wanne, Waschbecken und Toilette waren verkrustet und verschmutzt, dem Schrank fehlte eine Tür. Wie Goot schon vermutet hatte, war hier seit Jahren niemand mehr gewesen. Sheppard stellte die Laterne auf den Rand des Waschbeckens und leuchtete mit seiner Taschenlampe in die dunklen Ecken. Fliesen hatten sich von der Wand hinter und neben der Wanne gelockert, und als er genauer hinsah, bemerkte er, dass jemand mit einem scharfen Gegenstand Buchstaben in den nackten Beton geritzt hatte. Er stieg in die Wanne, um es genauer sehen zu können, und beleuchtete den Bereich mit seiner Taschenlampe. Er fand die Worte Helft mir.
    Ein kleiner Schauer lief ihm über den Rücken.
    Er strich mit den Fingern über die anderen Buchstaben, aber die Zeit hatte sie weggefressen, er konnte sie nicht ausmachen. Er stellte seinen Rucksack auf den Boden, öffnete den Reißverschluss, zog einen Notizblock und einen Bleistift heraus. Er riss ein Blatt Papier vom Block, legte es an die Mauer und fuhr mit dem Bleistift seitlich vorwärts und rückwärts darüber, bis die Buchstaben Form annahmen. Manchen Worten fehlten Buchstaben, andere waren deutlich und vollständig in ihrem Schrecken. Er versuchte, nach Goot zu rufen, aber seine Stimme war nur ein lächerliches Krächzen.
    Er taumelte aus der Wanne, griff nach seinem Rucksack und lief in das andere Zimmer, den Zettel in der Hand.
    »Hast du irgendwelche … mein Gott, Amigo, was ist?«, fragte Goot.
    »An der Wand«, gelang es Sheppard zu sagen. »Im Bad.« Er hielt einen Zettel hoch, und Goot richtete seine Taschenlampe darauf.
    »Mein Gott«, flüsterte Goot.
    Sheppard drückte die Finger gegen seine Nasenflügel und schloss für einen Moment die Augen. Die Worte rollten noch einmal vor seinen Augen ab: Helft mir. Böser Mann. Findet meine Mami. Verletzt. Krank. Und dann noch: Mira Shep A here okay, Gräber im Wald.
    Zutiefst erschüttert wartete Sheppard draußen vor dem Gebäude, während Goot die Inschriften im Badezimmer fotografierte und auf Video aufnahm. Er atmete die warme Luft der Sommernacht ein, und durch seinen Kopf rasten Fragen, die nur noch mehr Fragen aufwarfen. Ihm war klar, dass zumindest eine dieser Fragen von der Feuerwehr Tangos beantwortet werden konnte.
    Fünf Minuten später hatte er seine Antwort. Das Haus in 3130 Savoy war Mitte der Neunziger abgebrannt, bevor Sheppard, Goot, Nadine, Annie und Mira überhaupt nach Tango gezogen waren. Damals gehörte das Grundstück einem japanischen Mischkonzern, der vorhatte, daraus ein Hotel oder Ferienwohnungen oder so etwas zu errichten. Man ging davon aus, dass das Feuer ein Unglück war, vielleicht verursacht durch Obdachlose, die hier in der Trockenzeit ein Lagerfeuer entzündeten.
    »Wissen Sie, wer das Grundstück an den Konzern verkauft hat?«, fragte Sheppard.
    »Nein, Sir. Soweit ich weiß, gehört das Grundstück dem Konzern seit Mitte der Achtziger, und die Grundstücksdatenbank

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