Die Spur der verlorenen Kinder
ist noch nicht so weit zurück computerisiert. Die Eigentumsverhältnisse können Sie auf dem Bezirksgericht erfragen.«
Goot kam heraus, gerade als Sheppard sich bei dem Mann für seine Zeit bedankte und auflegte. »Ich habe es aufgenommen, aber ich weiß nicht, wie viel man sehen kann«, sagte Goot. »Wir müssen die Spurensicherung holen.«
»Noch nicht. Wenn wir das tun, bekommt Dillard Wind davon.«
»Ich verstehe das nicht, Shep. Wie kann Annie hier eine Nachricht hinterlassen haben?«
»Weiß ich auch nicht. Komm, ich will in den Wald.«
Nach Gräbern suchen.
Sie durchkämmten den Wald über eine Stunde, aber das Einzige, was sie fanden, war, dass das Grundstück am Rand eines steilen Kliffs endete. Weit unten schlugen Wellen gegen Stein, und die schwarze Oberfläche des Wassers zeigte das Spiegelbild des aufgehenden Mondes. Kein Wunder, dass die Japaner vorgehabt hatten, hier ein Hotel oder eine Ferienwohnanlage zu errichten. Wenn man die Bäume fällte, war allein die Aussicht Millionen wert.
»Shep, hier gibt es keinen Friedhof«, sagte Goot.
»In der Nachricht stand nicht Friedhof. Da stand Gräber. «
Sie befanden sich jetzt hinter dem Schuppen, sie arbeiteten sich durch dichten Bewuchs. Was sie wirklich brauchten, dachte Sheppard, war eine Machete.
»Gräber, Friedhof, was zum Teufel ist der Unterschied?«, fragte Goot. »Wie auch immer, wir suchen nach einem Pickel auf dem Arsch der Welt. Lass uns zurückkommen, wenn es hell ist.«
»Hast du eine Schaufel und einen Laubbläser im Kofferraum?«
»Wir brauchen einen Traktor, nicht Schaufeln und ein Gebläse. Wir haben es mit Jahrzehnten Piniennadeln und Blättern zu tun.«
»Heißt das ja?«
»Du weißt doch, dass ich gerade bei meiner Freundin gemäht habe, und …«
»… wer mäht, der bläst.« Sheppard kicherte. »Gib mir deine Schlüssel.«
»Ich hol das Ding ja schon«, sagte Goot barsch und marschierte in Richtung Straße. Allein im Wald, erlaubte Sheppard sich, das Undenkbare zu denken. Wheaton hatte Annie hergebracht, nachdem er sie entführt hatte, und sie hatte diese Worte in die Badezimmerwand geritzt. Es war das ideale Versteck für einen Entführer, verloren auf einem dünn besiedelten Eckchen der Insel, eingezäunt, überall Schilder, die den Durchgang untersagten. Da Wheaton als Peter Wheat diese Adresse angegeben hatte, wusste er, wie es hier aussah, er wusste von dem Haus.
Aber das Haus war vor Jahren abgebrannt, und es sah ganz bestimmt nicht so aus, als wäre in letzter Zeit jemand hier gefangen gehalten worden. Es ergab einfach keinen Sinn. Und seine Erfahrung lehrte ihn, wenn die Dinge keinen Sinn ergaben, hieß das, dass er nicht die richtigen Fragen auf die richtige Art stellte.
Scheiße, scheiße, scheiße, dachte er und stolperte plötzlich über etwas, eine Wurzel, einen Stein, er konnte nicht sehen, was es war, aber er verlor das Gleichgewicht und kippte aus gut einem Meter neunzig Höhe nach vorn. Er landete auf der linken Seite, sein Rucksack federte den Fall ab. Er stemmte sich hoch, stützte sich auf die Knie, ließ seine Taschenlampe los und grub panisch durch den verrottenden Mulch der Jahrzehnte, er suchte danach, worüber er gestolpert war.
Und dann berührte er es, er schob die Nadeln und Blätter beiseite und wippte zurück auf seine Fersen. Er starrte ein Keramikkreuz von etwa zehn Zentimeter Höhe an. Er leuchtete mit seiner Taschenlampe darauf, er war sich der Tatsache bewusst, dass etwas in seinem Inneren taub geworden war.
Goot kehrte zurück, warf Sheppard einen Blick zu, sah dann das Kreuz, schaltete das Gebläse ein. Fünf oder sechs Minuten lang blies er Laub und Nadeln von dem kleinen Kreuz weg, er legte den Boden in der unmittelbaren Umgebung des Kreuzes frei, fand insgesamt drei Kreuze.
Sheppard saß bloß da, er drückte seine Hände fest auf seine Oberschenkel, die Finger gekrümmt, und sein Herz zerbrach in eine Million Stücke.
Siebzehn
Mira hatte den Großteil des Tages damit verbracht, in ihrem Elektrowagen auf Tango Key herumzufahren. Ihre übersinnliche Antenne zuckte, aber sie empfing keine Signale. Mittlerweile war es spät am Nachmittag, sie war müde und enttäuscht. Sie verstand nicht, dass sie Fremde besser als je zuvor in ihrem Leben lesen konnte, aber nichts über Annie herausbekam. Die Anomalie, Perversion, was immer sie hierherverfrachtet hatte, kam ihr vor wie eine Art gnadenloser Gott. Er hatte ihr eine Gabe geschenkt, die weit über ihre wildesten Erwartungen
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