Die Spur der Woelfin
Kaffee und setzte
sich schließlich mit ihrer Tasse an den großen Tisch. Noch immer fiel es ihr
schwer zu begreifen, was geschehen sein sollte. Ein Werwolf? Sie? Es klang
einfach zu abgehoben, aber die überaus lebhaften Erinnerungen an den
vergangenen Abend ließen sich einfach nicht wegdiskutieren. Ebenso wenig die
Narben an ihrem Bein.
Warum hatte sie überlebt? Alle hatten behauptet, dass das nicht möglich
wäre. Warum also? Eine Laune der Natur?
Irritiert hob sie den Kopf, als sie Schritte auf der Treppe hörte. Daran
würde sie sich wohl noch gewöhnen müssen. Sie roch nicht nur mehr, sie hörte
auch um ein Vielfaches besser als vor dem Biss. Früher hätte sie erst dann
etwas gehört, wenn derjenige schon fast an der Küchentür angekommen war.
Es war Daniel, und er ließ ihr keine Zeit, sich auf seinen Angriff
einzustellen. Vorsichtig streckte er zunächst den Kopf durch die Tür, und im
nächsten Moment war er auch schon bei ihr und hatte sie von ihrem Stuhl
gerissen. Vor Schreck entfuhr ihr ein spitzer Schrei, als sie sich plötzlich
auf seinen Armen wiederfand.
»Himmelherrschaftsgottnocheinmal«, keuchte sie,
lachte dann aber. »Daniel, lass mich runter!«
Doch dieser schüttelte stur den Kopf. »Hast du eigentlich eine Ahnung,
was wir wegen dir durchgemacht haben?«
Laura blinzelte bei seinem vorwurfsvollen Ton. Auch er sah nicht viel
besser aus als Patrick. Auch er wirkte übermüdet, wenn auch nicht ganz so
extrem wie der Mann, den sie schlafend zurückgelassen hatte.
»Da kannst du jetzt nicht von mir verlangen, dass ich dich so einfach
wieder loslasse.«
Laura seufzte, hörte aber schließlich auf, sich gegen seine Brust zu
stemmen. »Daniel, ich habe überlebt, und
wenn es dir recht ist, würde ich das auch gerne noch eine Weile länger.
Was du da betreibst, ist meiner Gesundheit nicht unbedingt zuträglich«,
erklärte sie trocken und atmete erleichtert auf, als er seinen Griff ein wenig
lockerte. »Und wenn wir schon dabei sind: Ich hätte gerne wieder festen Boden
unter den Füßen.«
Er lachte. »Du bist wirklich wieder ganz die Alte«, stellte er
unbekümmert fest, setzte sie aber nicht ab.
»Hast du eigentlich schon mal was von Freiheitsberaubung gehört? Ich
fühle mich von dir in meinen Persönlichkeitsrechten arg beschnitten. Lass mich
runter.«
Er grinste. »Ich bin Anwalt, schon vergessen? Und wenn es zur Anklage
kommt, werde ich mich selbst verteidigen. Wollen doch mal sehen, ob ich die
Geschworenen davon überzeugen kann, dass das hier eine reine Affekthandlung
ist.« Sie seufzte, grinste aber, als er sie endlich wieder absetzte. Allerdings
nahm er den Arm nicht von ihrer Taille, und Laura keuchte überrascht, als er
sie plötzlich wieder fest an sich riss. »Verdammt, du lebst«, hörte sie ihn
murmeln, und kopfschüttelnd lehnte sie sich an ihn.
»Und ich werde mich auch ganz bestimmt nicht in Luft auflösen, wenn du
mich wieder loslässt«, erwiderte sie.
Auch die anderen verhielten sich nicht viel anders als Daniel, als sie
nach und nach in der Küche eintrudelten. Vielleicht waren sie etwas weniger
spontan und Gott sei Dank auch etwas weniger überschwänglich, aber das Ergebnis
war bei allen das gleiche. Früher oder später landete sie in irgendjemandes
Armen. Wie eine Puppe wurde sie herumgereicht, hochgehoben und schließlich
wieder auf ihren Platz am Tisch verfrachtet. Selbst Malcolm ließ es sich nicht
nehmen, sie an seine Brust zu drücken und ihr somit für einen Moment den Atem
zu rauben. Und sie war regelrecht dankbar, als schließlich Vince die Küche
betrat und er der Einzige blieb, der sie mit solchen Attacken verschonte.
An diesem Morgen blieben zwei Plätze am Tisch frei. Der eine war
Patricks, der noch bis weit in den Mittag hinein schlief. Wie die anderen ihr
sagten, war er in den vergangenen Wochen kaum von ihrer Seite gewichen. Kein
Wunder also, dass er total übermüdet gewesen war.
Der andere Platz war der von Kenneth. Keiner der anderen vermochte so
recht zu sagen, warum er nicht auftauchte. Auch er hatte in den letzten Wochen
nicht das Haus verlassen und hatte genauso wie die anderen darauf gehofft, dass
sie es durchstehen würde. Jetzt allerdings schien er es vorzuziehen, ihr nicht
über den Weg zu laufen.
»Kenneth?« Wenn er nicht zu ihr kam, würde sie eben zu ihm gehen müssen.
Also hatte sie sich ein Tablett geschnappt und beschlossen, ihm das Frühstück
nach oben zu bringen. Sie hatte Schritte in seinem Zimmer gehört, er war
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