Die Spur der Woelfin
würde
hören müssen. Keine Chance. Der Regen prasselte, als würde man im Himmel Eimer
ausgießen, und da sie nicht so krankheitsresistent war wie die übrigen
Hausbewohner, war nicht mal ein Spaziergang drin. Der Boden war bereits
aufgequollen, und riesige Pfützen hatten sich auf der kleinen Rasenfläche
hinterm Haus gesammelt.
Ihr Blick fiel auf den kleinen Schuppen hinterm Haus. Ganz zu Anfang
hatte sie mal den Fehler gemacht und die Tür aufgezogen. In ihm herrschte eine
Dynamik wie in einem Tupperschrank. Hauptsache, die Tür war zu. Öffnete man
sie, fiel einem alles vor die Füße. Über Jahre hatten sämtliche Hausbewohner
alles, was ihrer Meinung nach nicht mehr gebraucht wurde, dort hineingeschleppt
und vergessen. Möbel, alte Kleidung, Gartengeräte, die ohnehin niemand brauchte
... Dieser Anbau bot eine perfekte Beschäftigung, um die Vorgänge im Haus zu
ignorieren.
Direkt nach dem Frühstück machte sie sich an die Arbeit. Nach einer
halben Stunde, in der sie sich ihren Weg durch die Tür freigeschaufelt hatte
und alles zutage Kommende säuberlich voneinander getrennt in Müllsäcken
verstaut hatte, entdeckte sie sogar eine Steckdose. Musik war also auch drin,
und so schnappte sie sich ihr Notebook und drehte die Musik voll auf, als sie
hörte, wie im Haus die Kellertür zufiel.
Wie lange sie in diesem Schuppen blieb, vermochte sie nicht zu sagen.
Über Stunden vergrub sie sich dort und erreichte doch so gut wie nichts. Der Raum,
der kaum mehr als zwölf Quadratmeter messen konnte, war bis unters Dach voll
gestapelt worden, und egal wie viel sie herauszerrte, es schien nicht weniger
zu werden.
Gegen Mittag, als sie sich gerade einen Laufweg in die Mitte des Raumes
freigeräumt hatte, machte sie eine kurze Pause. Ihr Magen knurrte vernehmlich,
und als sie sich zu schnell umdrehte, konnte sie das ärgerliche Rebellieren
ihres Kreislaufes spüren. Also ging sie in die Küche, machte sich etwas zu
essen, zog es dann aber vor, wieder nach draußen zu gehen. Sie fühlte sich wie
die drei Affen der Ignoranz: Sie wollte weder etwas sehen noch etwas sagen
oder gar hören. Letzteres war ihr dabei im Moment das größte Anliegen,
und so zog sie sich mitsamt ihres Essens in den Schuppen zurück, damit sie sich
in dieser Hinsicht keinerlei Gefahr aussetzte. Und sie verspürte auch keine
Gewissensbisse, als die Tür hinter ihr zufiel. Sie zog sie nicht wieder auf.
Eigentlich hätte sie das tun müssen, denn Patrick hatte genau das gewollt,
damit man sie hören konnte. Doch auch wenn sie kein so gutes Gehör hatte wie
die anwesenden Werwölfe, so funktionierte das doch in beide Richtungen. Von
daher kam es ihr sehr zupass, als der Wind die Tür zuschlug. Der Einzige, der
sich über ihre Nachlässigkeit vermutlich beschweren würde, wäre Vince, während
Patrick sich mit einem vorwurfsvollen Blick begnügen würde. Und dann konnte sie
immer noch behaupten, dass sie nicht gehört hätte, wie die Tür zugefallen war.
Im Nachhinein verfluchte sie sich für diese Dummheit. Hätte sie die Tür
nicht zufallen lassen, wäre vermutlich nichts passiert. Wenn er nicht bereits
da schon seine Hände im Spiel gehabt hatte.
»Guten Tag, Miss Petersen.«
Mit einem erschreckten Aufschrei fuhr Laura auf und drehte sich zur Tür.
Und für den Bruchteil einer Sekunde blieb ihr das Herz stehen.
Groß, gut gebaut und von der Sonne gebräunt, lehnte der blonde Mann, Typ
Surfer, im Türrahmen, und panisch hielt sie die Luft an, als er ihr ein
gewinnendes Lächeln schenkte. Sie hatte diesen Mann noch nie gesehen, musste
sich aber nicht lange fragen, wer er wohl sein könnte. Kein Mensch betrat
unangemeldet dieses Grundstück ... allerdings auch kein Werwolf. Doch daran
schien sich Dave Campbell nicht zu stören.
»Guten Tag«, erwiderte sie zitternd seinen Gruß und wich zurück, als er
sich vom Türrahmen abstieß und einen Schritt in den Raum machte. Mit einem
schiefen Grinsen blieb er stehen.
»Sie wissen also, wer ich bin«, stellte er amüsiert fest und lachte leise,
als sie langsam nickte. »Dann würde ich Ihnen vorschlagen, dass Sie jetzt
einfach mitkommen. Sie wollen doch bestimmt nicht riskieren, dass ich Ihnen
wehtun muss.« Er schlug einen Tonfall an, als wolle er mit ihr über das Wetter
plaudern, und Laura spürte, wie ihr Mund trocken wurde. Doch sie bewegte sich
keinen Schritt, als er die Hand nach ihr ausstreckte. Wie angewurzelt blieb sie
stehen, wo sie war, und hörte schließlich seinen leisen Seufzer, als er
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