Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi
wünschen?« Sie schlug die Hand vor den Mund. »Oh. Sie haben ja noch gar keine Karte.«
Bevor sie forteilen konnte, fragte ich: »Sie sind die Aushilfe?«
Ihr Lächeln kühlte ein, zwei Grad ab. »Urlaubszeit.«
Ich lehnte mich zurück und betrachtete sie. Makelloser Teint, ein ebenmäßiges Gesicht, nur die gebogene Nase wich vom Schönheitsideal der Hochglanzmagazine ab. Und sie brachte gut fünfzehn Kilo zu viel auf die Waage.
»Können Sie mir etwas empfehlen?«
»Konventionell oder raffiniert?«, fragte sie zurück.
Auf Experimente hatte ich keine Lust. Ohnehin war ich eher der konservative Typ, nicht nur, was meine Kost betraf, die im Normalfall aus Brötchen mit Marmelade und dem Angebot der Pommesbude bestand oder ausnahmsweise Tonis Pizza beinhaltete. Sie nahm die Bestellung auf und ging mit meinem Blick im Rücken. Ein dunkler Zopf reichte ihr fast bis zum Hintern. Trotz ihrer Fülle hatte sie einen anmutigen Gang.
Ja, Isabell war anders gewesen. Schlank, fast drahtig, ihr Gang so effektiv, wie alles in ihrem Leben. Die blonden Locken, die ihr Gesicht einrahmten wie Schäfchenwölkchen, hatten etwas Verschwenderisches, dem sie mit dem Glätteisen Einhalt gebot, seit sie die neue Stelle in der Geschäftsleitung ihrer Firma angetreten hatte. Dann war sie fort. Wahrscheinlich hatte sie den Typen, mit dem ich sie im Supermarkt gesehen hatte, auf dem Coaching-Seminar getroffen, von dem sie so verändert zurückgekehrt war.
Das Bier kam und ich nahm einen tiefen Zug, schluckte die Wut hinunter, die sich bei dem Gedanken an Isabell wie ein kleiner Schmerz in meiner Brust einzunisten drohte. Der vertrottelte Junge brachte das Essen, nur das Besteck vergaß er und musste wieder laufen. Lieber hätte ich mir den Zopf noch einmal angesehen und die üppigen Hüften, die von einer roten Schürze umgeben, den Kiesweg zum Haus hinaufgewogt waren.
Das T-Bone-Steak sah einladend aus und war frei von der obligatorischen Kräuterbutter, die ich sonst jedes Mal und gegen meinen ausdrücklichen Wunsch auf meinem Steak vorfand. Dazu grüne Böhnchen, selbst gebackenes Brot mit Olivenöl und frischer Salat, dessen Dressing mit Kräutern angemacht war, die ich geschmacklich nicht identifizieren konnte. Vielleicht sollte ich die Köchin danach fragen. Nach dem Bier bestellte ich ein Glas Rotwein, das in überraschender Geschwindigkeit und ohne Zwischenfälle serviert wurde.
Die Gäste am Nebentisch brachen auf, dafür trudelten neue ein. Sie stiegen aus dem Wagen neben meinem Cabrio. Ich betrachtete meine Neuanschaffung. Ein schönes Auto. Es glänzte im Abendlicht. Der Zopf beugte sich über einen Tisch, um ihn abzuwischen und erlaubte mir eine hübsche Aussicht auf ein reizvolles Dekolleté. Toni hatte in jeder Hinsicht Recht gehabt. Ein Mann brauchte einen guten Wagen. Er hob die Stimmung und der Wein tat sein Übriges. Ich weiß nicht, wie lange ich dem Leben um mich herum zusah, irgendwann erstrahlten die Lichterketten in den Bäumen und eine Melodie klang durch die Dämmerung.
»Wünschen Sie noch etwas? Wir schließen bald.« Ich schreckte auf, hatte die Schöne nicht kommen sehen.
»Eine Flasche Wein zum Mitnehmen, wenn ich sie mit Ihnen trinken darf.« Ich spürte, wie die Worte auf meiner Zunge hafteten. Meine Zunge war betrunkener als ich.»Oder Ihre Telefonnummer«, schob ich nach.
»Vielleicht ein anderes Mal. Den Wein trotzdem?« Sie lächelte, ich nickte.
Ich war ein Idiot. Vielleicht sollte ich morgen wiederkommen, für heute hatte ich es vermasselt. Dennoch verdiente so ein Tag einen würdigen Abschluss. Der Schlaksige räumte Aschenbecher und Kerzen von den Tischen und brachte mir die Rechnung. Meine Frage nach dem Wein quittierte er mit einem »Verdammt« und machte eine wenig formvollendete Drehung. Die Schöne stand schon hinter ihm. Die Flasche entglitt ihr, zerschellte zwischen ihnen auf dem Kopfsteinpflaster und verteilte dunkelrote Punkte auf den hellroten Schürzen. Für einen Moment erstarrte die Szene, dann stürzte der Junge davon.
»Tut mir leid.« Der Zopf klaubte die Scherben vom Boden.
»Das muss es auch. Bekomme ich denn einen Ersatz dafür?«
Sie hob nicht den Blick. »Selbstverständlich.«
»Auch eine Wiedergutmachung?«
Jetzt sah sie mich an.
»Ich würde wirklich gern ein Glas mit Ihnen trinken. Glauben Sie nicht, dass das geht?« Ich legte den Kopf schief und verströmte allen Charme, dessen ich habhaft werden konnte. Endlich machte sie ein Grübchen in ihre
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