Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi
Nachricht langsam in die Hirnzellen des Rektors tröpfelte. Als sie angekommen war, riss er die Augen auf, schlug die Hand, eine auffallend kleine, mädchenhafte Hand, vor den Mund, sagte »Mein Gott«, und verharrte so. Einen Moment ließen sie das Gesagte wirken.
»Kennen Sie, oder vielleicht sein Klassenlehrer, andere Schüler, die mit Rasid zu tun hatten? Gab es Streit, Mobbing, irgendetwas, das zu der Schlägerei geführt haben könnte?« Unerwähnt ließ Conrad, dass er von den Auswirkungen der Schlägerei selbst betroffen war. Julia ahnte, wie peinlich ihm das sein musste, von ein paar Halbwüchsigen niedergeschlagen worden zu sein.
»Er war, wie ich sagte, nicht oft in der Schule. Entsprechend waren seine Noten. Über seine Sozialkontakte könnte Ihnen Frau Höhnemann Auskunft geben. Die Klassenlehrer wissen natürlich mehr über die Jugendlichen, als mir hier zu Ohren kommt.«
»Wo erreichen wir sie?«, fragte Julia.
»Hier gar nicht. Sie ist krankgeschrieben seit Beginn des Schuljahres.«
Julia stöhnte innerlich. Konnte nicht irgendetwas einmal einfach sein? Conrad fragte nach der Adresse, und Schreiber griff zielsicher einen Ordner von einem Stapel und gab sie ihm. Als sie sich verabschiedeten, legte Schreiber nachdenklich einen Finger auf den Mund, sagte dann »Moment«, und zog erneut einen Ordner aus dem Wust von Papier.
»Im letzten Schuljahr hat es Beschwerden von Eltern eines Schülers über drei Jungs aus der Zehn gegeben. Die sind inzwischen nicht mehr auf der Schule und haben vielleicht auch gar nichts mit dem …«, er zögerte, Tod stand auf seiner Stirn, »... der Sache zu tun. Aber alle drei hatten einiges auf dem Kerbholz. Die Eltern behaupteten, ihr Kind sei erpresst und beraubt worden. Nachgewiesen wurde den Jungs nichts, aber für ausgeschlossen halte ich es auch wieder nicht.«
»Sie haben ihnen nicht geglaubt?« Das fand Julia einigermaßen seltsam.
»Na ja, es waren Eltern, mit denen wir Probleme hatten, seit das Kind auf unserer Schule ist. Nichts konnten wir richtig machen. Immer war der liebe Kleine zu schlecht bewertet. Der Vater war jedes Mal in der Schule, wenn irgendeine Note vergeben worden ist, um sich zu beschweren. Was hätten Sie denn da angenommen?« Scheiber reckte das Kinn nach vorn.
»Ich hätte mir das erst mal genau angehört«, sagte Julia und setzte sich wieder.
»Genau das haben wir getan. Aber der betroffene Junge hat die Anschuldigungen zurückgenommen. Er habe so seine schlechten Leistungen zu Hause erklären wollen. Zu dem Zeitpunkt gab es ein Projekt, das Mobbing in der Schule zum Inhalt hatte. Das hatte ihn wohl auf Ideen gebracht.«
Widerwillig rückte Schreiber die Namen der drei Jungen heraus und telefonierte kurz. Das schlechte Gewissen war ihm anzusehen. Die Sekretärin, die inzwischen gekommen war, sie hätte die Zwillingsschwester der jungen Doris Day sein können, legte die Daten als Computerausdruck auf eine freie Ecke des Schreibtischs und verschwand wieder.
Julia und Conrad ließen einen irritierten Schreiber zurück.
»Und jetzt?«, fragte Conrad auf dem Weg zum Auto. Aber bevor Julia antworten konnte, klingelte sein Handy. Er nickte ein paar Mal, sagte »ja« und »nein« und »wo?« und legte auf.
»Das war Sven. Die Schwester sitze bei ihm und sei ganz aufgeregt. Er versteht nicht, was sie von ihm will. Er fragt, ob du nicht …«
»Nein.«
»Wieso nein ? Du weißt doch gar nicht, worum es geht.«
»Ich kenne seine Schwester nicht.«
»Julia. Es ist nicht Svens Schwester.«
»Umso besser für ihn.«
»Wieso das denn nun wieder? Ich denke, du kennst seine Schwester nicht?«
»Sven hat gar keine Schwester, soweit ich weiß.«
»Jetzt hör endlich auf mit dem Blödsinn.« Conrad knallte die Autotür mehr als nötig. »Schwester Helga von der Intensivstation sitzt bei ihm herum und will irgendwas, was er nicht versteht. Du sollst ihm helfen und mit ihr von Frau zu Frau reden, sozusagen.«
»Mit dem Kühlschrank? Ich habe doch an sich mit dem Fall nichts zu tun«, sagte Julia. Feuchtigkeit beschlug die Scheiben. Conrad streckte sich und wischte die Sicht mit einem Lappen frei, verharrte und hielt sich den Kopf mit beiden Händen.
»Was ist?«
»Geht sicher gleich weg.«
»Kopfschmerzen?«
Er nickte knapp.
»Du bist zu früh aus dem Krankenhaus. Soll ich fahren? Oder besser noch, dich wieder hinbringen? Ich sag auch deiner Mutter Bescheid, damit sie sich keine Sorgen macht.« Keiner hatte daran gedacht, die alte Frau zu
Weitere Kostenlose Bücher